Kategorie-Archiv: Blog

GSC: Day No. 2

Breakfast – Tea, home made bread and eggs – 300 Shilling, 100 Shilling and 300 Shilling

The regatta: Everybody brought something and I contributed bread and dhal (lentils). My share had a value of approximately 200 Shilling for the bread and 500 Shilling for the lentils.

On my way home I bought two oranges for 200 Shilling each and I ate one of them for dinner together with chapati (Indian kind of pancake, 200 Shilling). I would nearly have accepted the plastic bag to carry the oranges but in the last moment I stuffed them in my pocket to save some waste. I did not throw anything in the dustbin for today. On the way to the yacht club I just bought a bottle of water (700 Shilling) which I am going to use for this week. Water amounts to 500 Shilling for the rest of the day.

Let us sum it up: I spent 3,100 Shilling or 1.41 Dollar on my nutrition today. That is already closer to the limit. I could have used boiled tap water instead of buying it from the shop, then I could have undercut the line. Let’s keep it up tomorrow!

Today I forgot to take any pictures of my food or the shops where I bought it. Be patient…

And I learned something else: Tanzania’s most exclusive yacht club is very egalitarian in fact. Even people who struggle to survive on the margin of poverty are taking part in regattas, enjoying club life, taking to the sea on white yachts. Unfortunately it is just an offer for white males who have relations to the right people and come from a privileged class themselves. Thank you for your efforts in changing this, VIDEA!

To support the fundraising campaign, follow this link: http://solidarity.videa.ca/participantpage.asp?fundid=1846&uid=3438&role=1

Global Solidarity Challenge: Day No. 1

Oh man, the Global Solidarity Challenge! There it is and I don’t know how to deal with it. Ok, that is not completely true, I had already thought about living on 1.25 Dollar or 2,750 Tanzanian Shilling per day and producing less waste. Nevertheleless I had not taken any precautions to move from riches to rags all of a sudden. Fortunately I live in Tanzania which means that food prices are extremely low compared to Western countries. Moreover, as a volunteer we are theoretically assigned a food budget of 2.50 Dollar per day, which is just twice the Challenge budget.

To support the campaign, visit my page at VIDEA: http://solidarity.videa.ca/participantpage.asp?fundid=1846&uid=3438&role=1

And that is how my first day went: I woke up and was feeling hungry. I thought of the plan to make bread since one kilogram of flour costs just 1500 Shilling (a bit more than 0.50 Dollar), then I thought of the oatmeal I had bought the day before and the yoghurt in the fridge and decided to take a shortcut. In total, my breakfast took 2,200 Shillings, so that one Dollar was already gone when I left the house to design prototypes at a local crafts NGO workshop. By noon one of the workers brought me a dish of Ugali (Maize porridge) with vegetables. Since he belongs to the group of persons who probably really live on 1.25 Dollar per day I decided to accept his invitation as an escape to save my budget. After a day at the workshop it was time for dinner. The salad ingredients took 600 Shillings, the sip of Coke 300 and the Pilau (Spiced Rice) from the day before was ca. 300, too. After dinner I snatched an orange from the fridge, 200 Shillings. The water I drank over the day was mainly boiled tap water which I count as free. In total I used 3,600 Shillings for food, which is 1.64 Dollar. That means that I did not completely fail for the first day, but more care can still be taken. Tomorrow is becoming a challenge since I am invited to a regatta at the Yacht Club where Western prices prevail. For the lunch on board I am baking bread and preparing red lentils, estimated personal budget for these two dishes: 1200 Shillings.

The waste challenge went well today. One banana peel, a yoghurt bag and one plastic bag for the salad ingredients went to the dustbin since I forgot to use the bag I had brought to carry the vegetables.

Tomorrow: How the regatta was and where we buy what we eat.

Home made bread (earlier try)
Home made bread (earlier try)
The daily hero: Our shopping bag
The daily hero: Our shopping bag
Coming soon for tourists: The stylish shopping bag, designed by Jakob
Coming soon for tourists: The stylish shopping bag, designed by Jakob
P1290364
Dar es Salaam contrasts: Slum in Jangwani area and Central Business District

 

G.: Not macht erfinderisch

Ein neuer Schuh
Ein neuer Schuh

Nun musste G. also wieder einmal ins Krankenhaus. Während eines unkontrollierten Manövers auf einer Segelregatta hatte er sich an einer offen stehenden Luke an drei Zehen Abschürfungen eingehandelt, die trotz Desinfektion nach einem Tag höllisch wehtaten und angeschwollen waren. Dazu kamen noch die Schürfwunden aus der Zeit vor der Tansaniareise, die auch nach der Rückkehr in die sichere Heimat nicht heilen wollten. G.s Hinweis an dieser Stelle: Du solltest dich nach Möglichkeit in Tansania nicht verletzen. Wenn es doch passiert, brauchst du Geduld, Bargeld und eine funktionierende Kreditkarte. Er fuhr also mit dem Fahrrad ins Aga-Khan-Krankenhaus, eine angesehene Privatklinik. Dort wartete er erst lange und fragte sich mehrmals durch, bevor er dann schließlich 360.000 Shilling bezahlen durfte (ca. 150€) und dann war sein behandelnder Arzt zufällig schon im Wochenende. Nachdem G. nun schon ungefähr drei Stunden im Krankenhaus verbracht hatte, wurde er kurz ungehalten. Er meinte zu einer Angestellten, er hätte auch ins Amana-Krankenhaus gehen können, ein ziemlich heruntergekommenes staatliches Hospital, dort wäre der Service wahrscheinlich besser gewesen. Dann ging er zur Rezeption, um nach Alternativen zu suchen. Schließlich wurde er zu einem anderen Arzt gebracht, der dann gemeinsam mit der Schwester, die G. gereizt angefahren hatte, G.s Wunden behutsam reinigte. Mit dem Bescheid, er solle am nächsten Tag zum Verbandswechsel wiederkommen, wurde er nach Hause geschickt. Glücklicherweise hatte G. schon öfter Leute mit Fußverbänden erlebt, deshalb hatte er aus LKW-Plane und Kordel einen provisorischen Schuh dabei, den er statt des nun zu engen tragen konnte. Als Sohle diente ihm ein Stück Plastik, das eigentlich für eine Handyhülle gedacht war. So erlaubte es ihm nun, Fahrrad zu fahren, bei einer Zehenverletzung eine geschickte Fortbewegungsart, da der Fuß komplett ruht. Zu Hause angekommen, las er weiter in Edlef Köppens „Heeresbericht“, bei den Beschreibungen grausamer Verletzungen bekam er seltsam gute Laune, denn so schlimm hatte es ihn dann auch wieder nicht erwischt. Anschließend war es Zeit, zu duschen. Um seine Verbände trocken zu halten, stieg G. mit dem linken Bein in einen giftgrünen Ortlieb-Sack, den er aus Deutschland mitgenommen hatte. Nackt bis auf die Plastiktüte am Bein, die mit einem Gummizug provisorisch oben abgeschlossen wurde, hatte die Installation etwas von einem seltsamen Fetisch, zumal G. mit dem linken Fuß auf die Toilette steigen musste, damit das Wasser nicht am Oberschenkel entlang in den Plastiksack laufen konnte. Schließlich gereinigt aß G. noch ein sparsames Abendessen, da er keine Lust mehr hatte, mühsam etwas zuzubereiten, zumal die Verletzungen im Stehen besonders schmerzten. Er scrollte sich durch Facebook. Im Westen nichts Neues. Das war Remarque und nicht Köppen. G. ging schlafen.

Gedicht: Wieder Nacht

Es ist wieder Nacht in Dar es Salaam

Und ich habe geschaut und geschaut

In den leeren Räumen des Internets

Viele Stunden

Dinge, Ideen und sitze

Dieser Tag ist nicht laut, vielmehr rennt er

Hinter verschlossenen Fenstern vorbei

Ein verschlafener Tag

Viele Dinge, die zu keinem Muster sich

Zusammenfügen lassen und wie alte Plastiktüten im Wind

Das Feld leer erscheinen lassen

Auf dem so viel möglich war.

Vergeudet?

Es gibt ein Wertesystem, das vielleicht so sagen würde?

Doch wer will immer jagen, mit welchem Ziel?

Ich will nicht immer ein Raubtier sein, das hinter den Gitterstäben tigert

Und fühle mich doch krank, wenn nichts passiert.

Und manchmal muss es Minuten geben,

In denen die Welt schläft, meine Welt.

Natürlich vergeht der Tag und wir müssen dynamisch sein.

Ach, ich will wieder wandern und weiß nicht, wohin.

Ein paar Monate stehen noch da, bereit

Ausgepackt und verarbeitet zu werden, ständig mit der Kamera dabei.

Abenteuer, eingewickelt in Zeitungen und dazwischen Staub

Der die Tage stickig macht, wenn man sie liest.

G.: Mein größter Schatz ist mein Arbeitsplatz

Als G., bepackt mit seinen Urlaubsgeschenken und seiner frisch gewaschenen Einsatzjacke auf der Feuerwache ankam, war alles wie immer. Die Kollegen grüßten ein wenig überschwänglicher als sonst, weil sie sich lange nicht gesehen hatten und er bekam Chapati direkt vom Feuer, die er auf der langen Reise sehr vermisst hatte. Dann ging er ins Büro, holte sich auf Anraten seines Kollegen Tee, der meinte, dass dieser wichtig sei für die Gesundheit. Nachdem G. vor dem Urlaub Ratschläge verteilte, in Bezug auf Lagerverwaltung, hatte er sich vorgenommen, in alltagspraktischen Fragen mehr auf seine Kollegen zu hören, um einen Ausgleich zu schaffen. Dann ging er zu seinem Chef, um ihm das neue Tablet zu präsentieren. I. saß aber noch beim Frühstück, sodass G. ihm nur das Foto von der Reise, das er ihm mitgebracht hatte, überreichte und erst einmal den getrockneten Fisch an seine Kollegen verteilte. In der Werkstatt stellte er fest, dass es ein Problem gab: Das Auto, welches er umbauen sollte, hatte einen Schaden erlitten. Aufgrund einer gebrochenen Halterung war offenbar ein Teil des Getriebes herausgefallen, dabei hatte der Wagen erst ca. 10.000 Kilometer auf dem Zähler. Herzlich willkommen in Tansania, dachte sich G., das fängt ja wieder gut an! Andererseits würde sich durch diesen Schicksalsschlag seine Arbeitsbelastung reduzieren, also erst einmal sehen, wie sich alles entwickeln würde, bevor man Terror machte. Dann nahm er das Tablet und ging nach oben zu I., der inzwischen sein Frühstück beendet hatte und sich mit Interesse die Kartenapp anschaute. Auf G.s Frage, ob es sinnvoll sei, die digitale Navigation einzuführen oder ob die Rechner nur gestohlen würden, meinte er, man sollte vor den Innovationen nicht zurückschrecken, sonst kämen sie nie an. Wenn etwas wegkäme, müsste die betreffenden Schicht dafür haften. In Deutschland hat das fragliche Tablet einen Gegenwert von ca. 60€, in Tansania sind es rund 230, aufgrund der Marktlage. G.s Zweifel an der Dauerhaftigkeit des im Fahrzeug zu installierenden Rechners waren damit zwar nicht komplett beseitigt, aber er freute sich über die klare Ansage. An seinem höchsten Vorgesetzten, dem Feuerwehrchef von Dar es Salaam, schätzt G., dass er sich im Gegensatz zu vielen anderen seiner Kollegen mit klaren Handlungsoptionen äußert und sich nicht hinter Floskeln und Bürokratie verschanzt. Er meinte, der Umbau des Autos solle weitergehen, die ca. 150 Euro für die Reparatur würden sich im neuen Budget schon auftreiben lassen, wenn es erst einmal ein Einsatzfahrzeug sei. Zurück in seinem Büro verpackte G. den Kachelrechner wieder in der Zigarrenkiste vom Transport und ging dann an die Arbeit. Er schärfte einmal wieder Bohrer, sägte Profile zu und begann mit dem Dachgerüst des zukünftigen Vorauslöschfahrzeugs. Erfreut über die Stabilität der recht improvisierten Konstruktion und besorgt über den sich abzeichnenden Schraubenmangel beendete er gegen halb zwei seine Arbeit, aß zu Mittag und fuhr, nachdem er einem Kollegen die Telefonnummer seiner Mitreisenden M. verweigert hatte, in die Innenstadt, um ein paar Besorgungen zu erledigen. Er ging auf die Post, die immer schon gerade zu hat, wenn G. nach Feierabend vorbeikommt. Doch heute war er rechtzeitig. Er ließ sich im Vodacom-Laden endlich 4G-Internet freischalten. Dann fragte er noch auf dem Bahnhof nach einer Fotoerlaubnis. Mit der freundlichen Bitte um ein Empfehlungsschreiben beschieden, machte sich G. zufrieden nach Hause auf, denn das Schreiben lag schon in einer Mappe in seinem Zimmer. Er musste es nur noch finden. In einem indischen Supermarkt unterhielt er sich noch mit einem indischen Angestellten über Kiswahili. Der Mann bedankte sich für den Tipp, Google Translate zu benutzen, um sich Vokabeln anzueignen und G. radelte durch das warme Abendlicht nach Hause. Er gab das andere Fahrrad der WG zum Flicken, denn das Hinterrad war einfach alt. Dabei musste er nur den zunehmend aggressiv werdenden bettelnden Jugendlichen abwimmeln, der von ihm für irgendein Fußballspiel eine Spende wollte. (Niemand von ihnen wird es mit Fußball jemals zu etwas bringen, der westliche Profifußball ist eine gigantische Projektionsfläche des Heeres der Sozialverlierer im globalen Süden und in jeder dieser Situationen hasst G. Vereine wie den FC Bayern München oder Borussia Dortmund, die mit ihrer Hochglanz-Chauvinismus-Kunstwelt den Chancenlosen Fiktionen in den Kopf setzen, die diese für greifbare Wirklichkeit halten.) Dann ging er zum Friseur, einmal ganz kurz bitte. Die Soldatenfrisur. G. liebt das Gefühl der Haarschneidemaschine, diese Kopfmassage. Er wäre fast wohlig eingeschlafen. Dann war er wieder kurzgeschoren, holte sein Fahrrad ab und kaufte sich einen Joghurt. Heim, Duschen und dann Abendessen.

G.: Ein kleines Wunder

G. musste gerade ein Blech feilen, als die Alarmglocke klingelte. Froh, der Werkstattarbeit zu entkommen, rannte er ins Büro und zog sich um. In der Fahrzeughalle kam er am schon überfüllten Rescue Tender an, denn es war eine Person in einen Tank gestürzt. Der Gruppenführer komplimentierte den ob der Diskussion um die Sitzplätze schon etwas ungehaltenen G. auf einen Vordersitz, stieg selber ein und das Auto fuhr auf die Morogoro Road hinaus. Wegen einer neuen Regelung durfte der Fahrer nicht die Busspur benutzen, was G. zu einem übellaunigen Kommentar veranlasste. Schon wieder diese Entwicklungslandfeuerwehr! Na ja, wahrscheinlich war der arme Mensch ohnehin schon tot und man hatte nach seinem Auffinden die Feuerwehr nur zum Entsorgen gerufen. Mit diesen düsteren Gedanken kam G. an der Einsatzstelle an. Dort stellte sich heraus, dass der Mensch, der in den Tank einer Toilette gestürzt war, ein Neugeborenes war. Es war dort offenbar willentlich deponiert worden. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit lebte das Kind aber noch. Die Mannschaft aus Kinondoni war bereits eingetroffen, hatte allerdings angesichts mangelnder Fähigkeit noch keine weitergehenden Rettungsversuche unternommen. In diesen Momenten hasst G. Tansania mit diesen unschuldigen, aber doch für eine Feuerwehr zu dummen Menschen, die ein durchschnittliches tansanisches Feuerwehrauto besetzen.

Mit der Hilfe eines Anwohners schlug ein Feuerwehrmann mit Vorschlaghammer und Axt ein Loch in die Betonwand des Tanks, der ansonsten nur eine kleine Öffnung oben hatte, die eben für einen Säugling ausreichte. G. kam sich nutzlos vor, blieb aber an der Einsatzstelle, denn er hatte die Erfahrung gemacht, dass seine Kollegen manchmal auf schlechte Ideen kommen, wenn es um komplizierte Sachen ging. Doch nicht heute, denn es war der in Japan und Deutschland ausgebildete Gruppenführer C. dabei, nach Gs. Einschätzung einer der besten Feuerwehrleute Tansanias. Ohne Atemschutz zwar, aber immerhin angeleint, stieg dieser schließlich durch das Loch in den glücklicherweise nahezu leeren Tank, der gerade so voll war, dass das Neugeborene weich gelandet war. Sein Kopf war durch einen Zufall gerade so gelandet, dass es trotz unten liegendem Gesicht nicht in der weichen Masse erstickt war. Gs. Verdienst war es, die Feuerwehrleute, die C. sicherten, so aufzustellen, dass sie nicht die Leiter blockierten, die sie durch das Loch schoben, damit C. mit dem Kind, welches er in ein Tuch eingewickelt hatte, hinaufsteigen und es herausreichen konnte. Es war sehr beschmiert, aber immerhin schrie es. Krasse, was diese Neugeborenen aushalten, dachte G. Das Leben hatte gewonnen. G. herrschte einen Feuerwehrkollegen an, gefälligst den Kopf des Neugeborenen festzuhalten. Was waren denn das für Männer? Aber selten war er in seinem Einsatz in Dar es Salaam so froh gewesen. Es war ihnen gelungen, ein Leben zu retten! Und er freute sich still, dass sein alter Kollege S. nicht dabei war, denn er hätte jetzt etwas von untersuchen gemurmelt und wäre dann mit wichtiger Miene an den Gruppenführer herangetreten, um seine medizinischen Fachkenntnisse unter Beweis zu stellen. So wurde der Säugling einer Polizistin übergeben, die es durch die jubelnde Menge zu einem Polizeijeep trug, der unter den Rufen der Menschen im Sonnenschein die Schotterstraße hinunterfuhr. Dann gingen G. und seine Kollegen daran, die Ausrüstung zu putzen.

G.: Lokale Besonderheit

Es war ein langer Arbeitstag gewesen. Gegen den Widerstand des Bürokollegen die Registrierung der Einsatzkleidung durchsetzen, dem Geld für die Glasabdeckung der Stadtkarte hinterherlaufen, mit Kollegen plaudern und das Heck eines Autos für den Umbau zerlegen. Noch recht grau vom Metallstaub kam G. auf dem Sportplatz in Upanga an. Ein paar Frisbeespieler waren schon da, sie warfen sich Scheiben zu und plauderten. Schließlich begann das Spiel. Dieses folgt den üblichen internationalen Regeln. Eine Besonderheit aber gibt es: Wenn es dämmert, kommen die Fledermäuse (oder irgendwelche Flughunde, G. kennt eine Freundin, die das ganz genau sagen könnte). Und wenn die Fledermäuse kommen, wird noch gespielt, bis eine Mannschaft drei Punkte erzielt hat, dann ist das Training vorbei. Diese Regel hat Gs. Teamkollege C. aufgestellt, nachdem es in der Dunkelheit immer wieder zu Zusammenstößen kam. An diesem Tag waren allerdings die Fledermäuse etwas zögerlich und die drei Punkte waren rasch erzielt, also verlängerte man auf fünf. Das ging gerade noch. Durch die Dämmerung ging G. zum Fahrrad. Beim Aufsperren der Haustür brauchte er schon die Kopflampe.

G.: Ein langer Tag

G. hatte gut geschlafen, bis um 6.40 Uhr der Wecker klingelte. Das war der Luxuswecker, denn es waren Trainingswochen und sie würden ein wenig später auf die Wache kommen, weil sie gleich nach Kinondoni zur Übung aufbrechen sollten. Der Fahrer war schon früh da, gemeinsam mit T. hieß es aufsitzen (Ausdruck aus der Zeit, als die Feuerwehr noch Kutschen benutzte) und sie fuhren los. Weil sie aber im Stau stecken blieben, war das Frühstück in Kinondoni gerade schon zu Ende. Der Wachleiter verkündete ihnen, dass es aber ab dem nächsten Tag etwas zu Essen für sie geben würde. Für heute nahm G. also mit einem Flüssigessen in Form einer Limonade vorlieb. Dann besprach G. den Zustand des Lagerraums mit dem Operations Officer, der ihm freundlich zuhörte und dann gemeinsam mit seinen Kollegen mit dem Aufräumen begann, während die anderen Feuerwehrleute übten. G. ist meist vorsichtig mit Kritik, denn er möchte weniger die Umstände anprangern als ein Verständnis dafür wecken, was realistisch verbessert werden kann. Konstruktive Kritik hält er neben Panzern und Sturmgewehren für eines der wichtigsten und hilfreichsten Exportgüter der Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem kommt er sich manchmal wie ein Besserwisser vor, was er wohl auch gelegentlich ist, wenn man sein Umfeld fragt. Anschließend ließen sich G. und T. einen Löschangriff der Tagschicht vorführen, der im Großen und Ganzen auch gut verlief, bis auf die Tatsache, dass ein inkompatibler Verteiler eingebaut wurde. Der Kampfgeist war allerdings gut, auch wenn es G. immer ein wenig stört, dass viele Feuerwehrleute für die Gäste besonders großen Elan an den Tag zu legen scheinen, der im Routinebetrieb gelegentlich abhanden zu kommen scheint. Gemeinsam gingen sie die Truppaufteilung während des Löschangriffs durch. An den kleinen Wachen schätzt G., das die Organisation weniger kompliziert ist und ein größerer Teamgeist als im Bienenstock Ilala herrscht, wo viele ihr eigenes Süppchen zu kochen scheinen und die Veruntreuung von Ressourcen und Arbeitsunwille in der Masse kaum auffallen. In Kinondoni bemerkt man dagegen schon einmal, wie das Privatauto des bei den Mannschaften als inkompetent bekannten Wachchefs mit Diesel aus dem Feuerwehrdepot betankt wird.

Dann gab es Mittagessen. Dieses war endlich fest, es gab Innereien mit Reis. Leider war das Essen schon etwas kalt, als G. und T. ins Büro kamen, weshalb G. beim Verschlingen der zähen Innereien mehrmals würgen musste. Er findet es löblich, dass alle Teile eines Tieres verwertet werden, aber gewöhnungsbedürftig ist es für ihn nach wie vor. Im nun mit reparaturbedürftigen Atemschutzgeräten und zwei Bürokräften auf dem Nachhauseweg recht eng besetzten Auto ging es wieder zurück nach Ilala. Dort angekommen, machte sich T. auf den Heimweg, nachdem sie die Atemschutzgeräte in der Werkstatt abgeliefert hatten. G. packte gerade im Büro seine Sachen zusammen, als der Alarm losging. Er brauchte ein wenig, um in seine Flammschutzkleidung zu kommen, weil alles schon zum Trocknen auf Links gewendet war. Mit dem zweiten Transporter ging es los, Richtung Mbagala, zunächst auf der Busspur. Bald war das Tankfahrzeug eingeholt, die Verfolger wurden zum Vorausfahrzeug. Ein adrenalingestärkter Offizier brüllte im Richtung Süden dichter werdenden Verkehr den Weg frei. An einem Stau schlängelten sich die beiden Einsatzfahrzeuge auf dem Mittelstreifen vorbei. Dann verpassten sie den Abzweig, wendeten und kamen auf dem Hof des Busdepots an, in dessen Hof eine Starkstromleitung gefallen war. Der Strom war inzwischen abgeschaltet, doch man konnte sehen, wie die Leitungsdrähte durch den Lichtbogen beim Bodenkontakt geschmolzen waren. Im Begriff, aufzubrechen, kam über den Funk ein neuer Einsatz herein, nicht weit entfernt. Eine im Bau befindliche Transformatorstation war vermutlich wegen des Kurzschlusses und fehlender Sicherungen in Brand geraten. Eine Tür des Gehäuses war geöffnet, giftig riechender Qualm kam heraus. Die Bedienmannschaft hatte bereits einen Pulverlöscher versprüht. Der Strom war glücklicherweise schon abgeschaltet. G. rief seine Kollegen, Atemschutz anzulegen, denn mit Trafobränden ist nicht zu spaßen. Als sie wieder hinter dem Fahrzeug hervorkamen, war bereits ein Löschangriff aufgebaut. Nur das Schaumrohr funktionierte nicht, weil jemand beim Zumischer für das Schaummittel die Durchflussrichtung nicht beachtet hatte. Außerdem parkte das Tankfahrzeug in einer Kuhle, sodass die Pumpe nicht ordnungsgemäß funktionierte, was aber rasch behoben wurde. Nur aus Gs. Schaumrohr sprühte Wasser, aus dem Schaumkanister quoll Schaum. Vielleicht nicht der gewünschte Effekt. Also behalfen sie sich erst einmal mit Wasser und knackten nach und nach mit dem Bolzenschneider die Türen des Trafogehäuses. Schließlich war alles gekühlt, mit Schaum eingesprüht und der Einsatzleiter konnte das Gelände wieder an den Netzbetreiber übergeben. Zurück auf der Wache versammelten sich die Feuerwehrleute im Büro des Operations Department und besprachen den Einsatz. Als sie fast fertig waren, klingelte wieder der Alarm alle stürzten in die Fahrzeughalle. Es war ein Rettungseinsatz. Das Kind war in den Brunnen gefallen, sprichwörtlich. Über die Busspur erreichten sie rasch den Stadtteil Manzese, der als soziales Brennpunktviertel bekannt ist. Entsprechend der Bevölkerungsdichte warteten schon geschätzt 300 Schaulustige im Umfeld der Einsatzstelle. Der Gruppenführer ging vor, G. bahnte sich mit einem Erste-Hilfe-Koffer den Weg durch die Menge. An dem gemauerten Wassertank fielen G. die Fliegen auf, die auf dem Körper des Opfers saßen. Es war am dritten Tag gefunden worden, als der Körper wegen der Verwesung wieder an die Oberfläche kam. Zivilpolizisten mit Sturmgewehren (Heckler&Koch G3) waren vor Ort und schufen auf Gs. Bitte ein wenig Platz für die Feuerwehrleute. An Leben war nichts mehr zu retten, also berieten sie sich, wie der Körper möglichst effizient und ohne große Kontamination des Einsatzmaterials aus dem Tank zu holen sei. Schließlich nahmen sie ein hölzernes Spineboard (eine Art Brett, auf dem man Verletzte bei der Rettung befestigen kann) und ein Feuerwehrmann legte Mundschutz, Latexhandschuhe und einen Einweg-Chemikalienschutzanzug an, als Schmierschutz. Ein Mann zerschnitt einen Zementsack. Der Kollege im Schutzanzug führte den Sack in die Körpermitte und stabilisierte die Beine. Das Herausheben war recht einfach, denn aufgrund der Leichenstarre war der Körper fast wie ein Brett. Dass er mit dem Gesicht nach unten lag, war positiv, denn Gesichter geben Menschen eine Identität und lassen sie emotional näher erscheinen. So legten die Feuerwehrleute den Körper auf das Spineboard und deckten ihn mit einem Stofftuch, dass ihnen einer der Umstehenden reichte, zu. Anschließend wurde die Leiche auf die Ladefläche eines Polizeijeeps verfrachtet. Die Feuerwehrleute warfen die kontaminierten Handschuhe auf einen Müllhaufen, dann stiegen sie in ihre Autos (Es waren inzwischen ein weiterer Transporter aus Ilala und das Löschfahrzeug aus Kinondoni eingetroffen). Das Blaulicht des Rescue Tenders leuchtete freundlich in der einbrechenden Dämmerung. In der Dunkelheit fuhr G. nach Hause. Es war ein langer Tag. Milch war im Kühlschrank und er kaufte noch ein paar Früchte. Unter der Dusche hörte er „Dear Old Stockholm“ von Miles Davis. Er wechselte das kaputte Speichermodul seines Laptops. Dann war es Zeit für das Abendessen.

Die zwei Welten des jungen G.

Jangwani-Tal zwischen Magomeni und Kariakoo
Jangwani-Tal zwischen Magomeni und Kariakoo

Es war drei Uhr nachmittags und G. war gerade vom Feuerwehrtraining in Temeke zurückgekommen. Eigentlich hatte er keine Lust, mit den Leuten im Control Room am Kartenprogramm zu üben. Aber wenn er es nicht machte, würde es nie etwas und G. war schließlich der gewaltsame Reformer, die Karte war sein Denkmal. Also nahm er seinen Laptop und ging hinüber. Sogleich kam ein Anruf, ein Hausbrand in Jangwani. G. suchte ein wenig auf der Karte herum und entschied dann, dass er lieber ausrücken wollte, zumal alle genau zu wissen schienen, wo die Einsatzstelle lag. Also rannte G. zurück ins Büro, zog seine Feuerwehrhose mit Stiefeln an, schnappte Jacke und Helm und stieg mit seinen Kollegen ins Löschfahrzeug. Er hatte noch eineinhalb Stunden bis zum Frisbeetraining. Er hätte alternativ noch irgendwelchen organisatorischen Kram erledigen können, aber darauf hatte er keine Lust und er wusste, dass die Gegend vermutlich ein Slum sein würde. Gs. Erfahrung sagte, dass kleinere Hausbrände in Slums meistens keine langen Einsätze nach sich ziehen würden. Außerdem gab es meistens nur ein Stockwerk, deshalb kämpfte er sich auf der Fahrt in seine Jacke, den Feuerwehrgurt ließ er aber beiseite, weil es sehr heiß war. Und siehe da, die Rechnung ging auf. Über einen sehr holperigen Feldweg gelangte die Gruppe an den Rand einer inoffiziellen Siedlung, nur ca. 500 Meter von Gs. Zuhause entfernt. Dort war eine Gruppe Anwohner beschäftigt, die schwelenden Reste eines Dachstuhlbrandes zu bekämpfen. In Gs. Augen quälend langsam baute sich der Löschangriff auf, dann platzte noch ein C-Schlauch. Es wurde aber rasch eine Ersatzleitung verlegt. Der dienstjüngste Feuerwehrmann musste die Nachlöscharbeiten ausführen. Auf Gs. Hinweis stellte er sein Mehrzweckstrahlrohr von Vollstrahl auf Sprühstrahl um, nachdem er fast den Dachstuhl weggeblasen hatte. G. zog seine Kamera heraus, versuchte, nicht von Strahlen aus den Lecks im vorderen Schlauch getroffen zu werden und die Kamera vor dem herabtropfenden Löschwasser zu schützen und begann, zu fotografieren. Dann war der Einsatz beendet. G. rollte der Form halber einen Schlauch zusammen, dann kletterte er noch auf das Dach des Löschfahrzeugs, um ein Überblicksbild von der Einsatzstelle zu machen. Durch den Sucher dachte er sich: Hier können wir ein richtiges Entwicklungslandfoto machen. Eine zerzauste Palme im Vordergrund, viele dunkelhäutige Menschen, Hütten. Dann drückte er auf den Auslöser. Vor dem Fahrzeug liefen Ziegen vorbei. Es war ein weiterer Transporter von der Wache eingetroffen. G. plauderte noch kurz mit einem Polizisten, dann fuhren sie ab. Auf der Wache verstreuten sich die Feuerwehrleute in alle Winde. G. hätte noch gerne eine Feedbackrunde veranstaltet, aber er wollte zum Frisbeetraining. Er verabschiedete sich vom Gruppenführer. Dann ging er ins Büro und stopfte seine Arbeitskleidung in die Tasche, zog Turnschuhe an und fuhr nach Upanga. Am Tor der International School of Tanganyika öffnete ihm wie immer der Wachmann die Seitentür. G. stellte sein Fahrrad ab und ging über die von großen Bäumen beschatteten Höfe zum Sportfeld. Dort wärmten sich schon ein paar Teamkollegen auf. Makellos lag die Grasfläche in der Nachmittagssonne und hinter den Palmen ragten dunkel die Fassaden der Oberschichtblocks empor.

International School of Tanganyika, Upanga
International School of Tanganyika, Upanga

G.: Zwei Gebete

Manchmal denkt G. nach. Er hat überlegt, ob er leichten Herzens Tansania verlassen wird, oder ob ihm der Abschied schwerfallen wird. Eine Antwort hat er nicht gefunden, aber eine Sache, die er definitiv vermissen wird, wenn er wieder einmal in Deutschland ist. Meistens stößt sich G. eher an den Sachen, die ihm missfallen, weshalb er die schönen Dinge unbesehen mitnimmt. Aber manchmal hilft es ihm, sich zu überlegen, was ihm gut gefällt, wenn die Arbeitstage lang sind. Gestern war G. auf einem siebenstündigen Meeting der Feuerwehrführung von Dar es Salaam. Abgesehen davon, dass insgesamt sehr konstruktiv diskutiert wurde, gab es auch ein gemeinsames Mittagessen. Und nachdem es unter den Feuerwehrleuten sowohl Muslime als auch Christen gibt, gehörten natürlich zwei Tischgebete dazu. Eins wurde von einem muslimischen Offizier gesprochen, eins von einem christlichen. Es war ein kurzer Moment, der G. mit seiner deutschen, scheinbar weltbestimmend christlichen Herkunft gerührt hat. Er ist  als Mensch stolz, dass in Tansania Menschen unterschiedlicher Religionen als Nachbarn und Freunde nebeneinander leben. Und er schämt sich für Deutschland, wo kleingeistige und schlechte Menschen trotz des relativen Überflusses den Mitmenschen ihre Andersartigkeit, und sei es in nur in einer so privaten Sache wie dem Glauben, missgönnen und grölend auf die Straßen ziehen. G. weiß nicht, ob er jemals erleben wird, wie ihn in Deutschland der Ruf des Muezzins kurz weckt, bis er wohlig wieder einschlummert, weil er weiß, dass er nach dem Ruf zum Morgengebet noch eine Stunde schlafen kann. Natürlich haben auch Kirchturmglocken etwas Magisches. Der Uhrenturm mit der wohlklingendsten Glocke in Dar es Salaam gehört übrigens zu einer Moschee in der Nähe des Goethe-Instituts. Und jede Religion hat aus Gs. Sicht das Recht, ihre Anhänger zu rufen, gerade in einem freiheitlichen Land, wie es Deutschland sein möchte.

Wenn die pöbelnden Pegida-Anhänger das Festhalten an Traditionen fordern, handeln sie nach Gs. Meinung im Glauben, eine scheinbar behütete und gute Zeit festhalten zu können, die es freilich nie gab, was ihre tumben Köpfe freilich nicht verstehen. Blickte man nämlich auf das Wort Tradition, sähe man, dass das lateinische Verb tradere gut mit der Bedeutung des Weitergebens übersetzt werden kann. Weitergeben eines Dings bedeutet auch, dass man die Kontrolle über dieses abgibt. Und gerade im Zusammenhang mit facettenreichen, immateriellen Gütern kann das auch bedeuten, dass jeder Besitzer sie neu gestaltet. Kultur ist ein Werkzeug und zugleich ein Produkt des gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Blickt man auf die großen und sich ständig wandelnden Felder, die Kultur bearbeitet, ist sie keinesfalls eine Gartenhacke, die auch nach zweihundert Jahren immer noch die gleiche Form besitzt. Sie wird sich wandeln, kann dafür aber auch nicht in Eisenoxid zerfallen. Sie kann immer eine starke Richtschnur bleiben, gerade in Zeiten der Ungewissheit und im Falle der Pegida-Demonstranten, der Angst vor Perspektivlosigkeit und Orientierungsverlust, wenn man sich nach einer starken Reling vor dem kabbeligen Meer sehnt. Nur: Wer würde sein Gewicht einer Reling anvertrauen, die schon seit fünfzig Jahren nicht mehr überprüft und ausgebessert wurde? Gerade wer auf Sicherheit bedacht ist, wird seine Tradition mit der Gegenwart in Einklang bringen müssen, auch wenn das vielleicht zwei Tischgebete und längeres Warten auf das Mittagsmahl beinhaltet. Wobei nach Gs. Ansicht, der bayerischer Katholik ist, auch Beten bei Neonazis nichts mehr hilft. Und ganz gleich, ob die Götter der Menschen zwei Köpfe, drei Füße oder vier Augen haben, sind Menschen primär Menschen. Der muslimische Kollege von G. hat also zur allemeinen Erheiterung ein sehr kurzes Gebet gesprochen, denn nach der vierstündigen Debatte hatten alle großen Hunger.