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G.: Mein größter Schatz ist mein Arbeitsplatz

Als G., bepackt mit seinen Urlaubsgeschenken und seiner frisch gewaschenen Einsatzjacke auf der Feuerwache ankam, war alles wie immer. Die Kollegen grüßten ein wenig überschwänglicher als sonst, weil sie sich lange nicht gesehen hatten und er bekam Chapati direkt vom Feuer, die er auf der langen Reise sehr vermisst hatte. Dann ging er ins Büro, holte sich auf Anraten seines Kollegen Tee, der meinte, dass dieser wichtig sei für die Gesundheit. Nachdem G. vor dem Urlaub Ratschläge verteilte, in Bezug auf Lagerverwaltung, hatte er sich vorgenommen, in alltagspraktischen Fragen mehr auf seine Kollegen zu hören, um einen Ausgleich zu schaffen. Dann ging er zu seinem Chef, um ihm das neue Tablet zu präsentieren. I. saß aber noch beim Frühstück, sodass G. ihm nur das Foto von der Reise, das er ihm mitgebracht hatte, überreichte und erst einmal den getrockneten Fisch an seine Kollegen verteilte. In der Werkstatt stellte er fest, dass es ein Problem gab: Das Auto, welches er umbauen sollte, hatte einen Schaden erlitten. Aufgrund einer gebrochenen Halterung war offenbar ein Teil des Getriebes herausgefallen, dabei hatte der Wagen erst ca. 10.000 Kilometer auf dem Zähler. Herzlich willkommen in Tansania, dachte sich G., das fängt ja wieder gut an! Andererseits würde sich durch diesen Schicksalsschlag seine Arbeitsbelastung reduzieren, also erst einmal sehen, wie sich alles entwickeln würde, bevor man Terror machte. Dann nahm er das Tablet und ging nach oben zu I., der inzwischen sein Frühstück beendet hatte und sich mit Interesse die Kartenapp anschaute. Auf G.s Frage, ob es sinnvoll sei, die digitale Navigation einzuführen oder ob die Rechner nur gestohlen würden, meinte er, man sollte vor den Innovationen nicht zurückschrecken, sonst kämen sie nie an. Wenn etwas wegkäme, müsste die betreffenden Schicht dafür haften. In Deutschland hat das fragliche Tablet einen Gegenwert von ca. 60€, in Tansania sind es rund 230, aufgrund der Marktlage. G.s Zweifel an der Dauerhaftigkeit des im Fahrzeug zu installierenden Rechners waren damit zwar nicht komplett beseitigt, aber er freute sich über die klare Ansage. An seinem höchsten Vorgesetzten, dem Feuerwehrchef von Dar es Salaam, schätzt G., dass er sich im Gegensatz zu vielen anderen seiner Kollegen mit klaren Handlungsoptionen äußert und sich nicht hinter Floskeln und Bürokratie verschanzt. Er meinte, der Umbau des Autos solle weitergehen, die ca. 150 Euro für die Reparatur würden sich im neuen Budget schon auftreiben lassen, wenn es erst einmal ein Einsatzfahrzeug sei. Zurück in seinem Büro verpackte G. den Kachelrechner wieder in der Zigarrenkiste vom Transport und ging dann an die Arbeit. Er schärfte einmal wieder Bohrer, sägte Profile zu und begann mit dem Dachgerüst des zukünftigen Vorauslöschfahrzeugs. Erfreut über die Stabilität der recht improvisierten Konstruktion und besorgt über den sich abzeichnenden Schraubenmangel beendete er gegen halb zwei seine Arbeit, aß zu Mittag und fuhr, nachdem er einem Kollegen die Telefonnummer seiner Mitreisenden M. verweigert hatte, in die Innenstadt, um ein paar Besorgungen zu erledigen. Er ging auf die Post, die immer schon gerade zu hat, wenn G. nach Feierabend vorbeikommt. Doch heute war er rechtzeitig. Er ließ sich im Vodacom-Laden endlich 4G-Internet freischalten. Dann fragte er noch auf dem Bahnhof nach einer Fotoerlaubnis. Mit der freundlichen Bitte um ein Empfehlungsschreiben beschieden, machte sich G. zufrieden nach Hause auf, denn das Schreiben lag schon in einer Mappe in seinem Zimmer. Er musste es nur noch finden. In einem indischen Supermarkt unterhielt er sich noch mit einem indischen Angestellten über Kiswahili. Der Mann bedankte sich für den Tipp, Google Translate zu benutzen, um sich Vokabeln anzueignen und G. radelte durch das warme Abendlicht nach Hause. Er gab das andere Fahrrad der WG zum Flicken, denn das Hinterrad war einfach alt. Dabei musste er nur den zunehmend aggressiv werdenden bettelnden Jugendlichen abwimmeln, der von ihm für irgendein Fußballspiel eine Spende wollte. (Niemand von ihnen wird es mit Fußball jemals zu etwas bringen, der westliche Profifußball ist eine gigantische Projektionsfläche des Heeres der Sozialverlierer im globalen Süden und in jeder dieser Situationen hasst G. Vereine wie den FC Bayern München oder Borussia Dortmund, die mit ihrer Hochglanz-Chauvinismus-Kunstwelt den Chancenlosen Fiktionen in den Kopf setzen, die diese für greifbare Wirklichkeit halten.) Dann ging er zum Friseur, einmal ganz kurz bitte. Die Soldatenfrisur. G. liebt das Gefühl der Haarschneidemaschine, diese Kopfmassage. Er wäre fast wohlig eingeschlafen. Dann war er wieder kurzgeschoren, holte sein Fahrrad ab und kaufte sich einen Joghurt. Heim, Duschen und dann Abendessen.