Frisbee East Africa Sand Tournament (FEAST) / Mombasa / New Vehicles
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G. war unterwegs
G. hat sich auf die lange Reise gemacht. Gemeinsam mit seinem Frisbeeteam ist er am Morgen des 25. April in einen Bus nach Mombasa gestiegen. Gut, dass der Bus direkt vor der Feuerwache abfuhr, Heimspiel. Und ein sicherer Abstellplatz für das Fahrrad. Die Fahrt nach Tiwi in der Nähe von Mombasa, Kenia, dauerte rund elf Stunden, in denen G. größere Landstriche von Tansania sah, als in den fünf Monaten davor. Endlich angekommen, wurden die Bungalows bezogen. Für G., der es aus Deutschland gewohnt ist, bei Turnieren mit Isomatte und Schlafsack in einer Turnhalle zu übernachten, war die Ferienanlage mit Pool und Palmenstrand ein ungeahnter Luxus. Als G. erfuhr, dass es ein Pickup-Team, also eine zusammengewürfelte Mannschaft, geben würde, die noch Spieler suchte, ging er in sich. Er mochte das Team aus Dar es Salaam gerne, aber er war auch ein neugieriger Mensch. Und so schloss er sich dem Pickup-Team an, das nach einer NGO mit dem Namen „One Acre“ benannt war. Nachdem keiner der Spieler von dieser Organisation auftauchte, wurde der Name beibehalten, doch mit einer französischen Note versehen, sodass das Team nun „On éa Cré“ hieß.
Team-Maskottchen war ein gelbes, aufblasbares Seeungeheuer, das Sebastian hieß und an diesem Abend auf einer Poolparty bereits die Reise in die ewigen Jagdgründe antrat. Der Rest des Wochenendes war eine Abwechslung aus Frisbee, Dosenbier, Musik, Tanz und Sonnencreme, welche von den weißen Spielern üppig verwendet wurde. Gs. Mannschaft gelang es schließlich, die Trostrunde zu erreichen, wo sie einen hervorragenden Sieg gegen das Team aus Kampala, Uganda, errangen. Anschließend ging es in das geheime Finale, ein Frisbeematch mit Regeln wie „Zombie“ (Arme und Beine nicht anwinkeln), „Dive“ (Jeder Wurf muss mit einem Hechtsprung gefangen werden) oder „Beer Point“ (Jeder Spieler hält ein Dosenbier, das so kostbar ist, dass nichts danebengehen darf). Erschöpft und guter Dinge gingen sie zum Mittagessen.
Das Team aus Dar es Salaam schied nach hartem Ringen im Halbfinale aus, was einige neue Spieler sichtlich enttäuschte. Insgesamt war auf dem Turnier aber der Ultimate-Frisbee-Spirit allgegenwärtig. Hohe Fairness, gegenseitiger Respekt, Spaß am Spiel und Ehrgeiz mit Augenmaß sind Grundsätze, mit denen man gut Sport treiben kann. Am Ende gewann schließlich das Team aus Nairobi.
Den Montag verplauderte G. dann noch mit einer Teamkollegin am Strand, bevor er mit einem Teil des Teams aus Kampala in einen Minibus stieg, um die Insel der Seligen zu verlassen. An der Fähre in Likoni verabschiedeten sie sich herzlich. Wenn alles gut ginge, würde G. sie im September in Kampala auf Ostafrikas größtem Rasenturnier wiedersehen.
Dann begann Mombasa. G. hatte eine Unterkunft beim Bekannten einer Bekannten gefunden, der davon lebt, Zimmer an Freiwillige zu vermieten und deren Leben zu organisieren. So kam es, dass G. neben der größten Hafenstadt in Ostafrika auch das Grauen des „Volontourism“, wie es seine Teamkollegin R. später nennen sollte, kennenlernte. Als G. ankam, wohnte beim Vermieter S. auch die deutsche Soziale-Arbeit-Studentin X., die gemeinsam mit ihrer Freundin Y. (ebenfalls Soziale Arbeit) einen zweimonatigen Freiwilligendienst im Stadtteil Likoni (Süd-Mombasa) absolvierte. Im Gespräch mit den beiden und unterwegs wähnte sich G. zwischendurch in einer Don’t-Liste seines Vorbereitungsseminars gefangen. Bei aller Diskretion wird G. lange in Erinnerung bleiben, wie Y. erzählte, dass sie den Kindern in ihrem Waisenhaus immer Bonbons mitbringe, weil die sie dann so lieb umarmten und überhaupt so süß seien. G. hatte sich manchmal gefragt, woher häufige Erwartungshaltung an Weiße kommt, dass sie immer etwas verschenken. Nun hatte er endlich eine der vielen Gründe gefunden. Er dankte Y. innerlich, denn beim nächsten Mal, wenn er sich über die Erwartungshaltung aufregen würde, hätte er wenigstens jemanden, auf den er seinen Hass projizieren könnte.
Ansonsten fand G. Mombasa interessant, aber nicht umwerfend. Ein bisschen wie Stone Town auf Sansibar, nur urbaner. Er naschte sich durch ein paar indische Restaurants und schaute bei der Feuerwehr vorbei, die ihn zum Löschen eines brennenden Heizölbeckens mitnahm. Die Feuerwehrleute arbeiteten genauso ineffizient und risikoreich wie in Dar es Salaam. G. fühlte sich wie zu Hause. Ansonsten wurde er herzlich eingeladen, wiederzukommen, was ihn freute, denn auch wenn Behörden Behörden sind, hat es schon etwas, in der Fremde jemanden zu haben, der einem weiterhilft und einen als zugehörig betrachtet. Fort Jesus und die Altstadt schaute G. natürlich auch an. Er nahm sich viel Zeit zum Schreiben und Nachdenken und als die Zeit gekommen war, zurückzufahren, freute er sich auf das heimatliche Magomeni. Nach einem Tee und zwei Halfcakes stieg er in den Fernbus. Zwölf Stunden später rannte er mit seinem Rucksack über die Morogoro Road und bog im Laufschritt in die Dosi Street ein, dem Zuhause entgegen. S. kochte Nudeln und G. schrieb wieder eine E-mail auf einer richtigen Tastatur. Welch ein Genuss.
Am Montag ging es dann zurück auf die Arbeit. Dort waren seit der letzten Woche neun japanische Feuerwehrautos angeliefert worden, die darauf warteten, auf Tansania verteilt zu werden. Für den Tag sah es eindrucksvoll aus. G. stellte sich vor, wie es wäre, wenn bei einem Alarm wenigstens auf drei oder vier dieser Autos gut ausgerüstete Feuerwehrleute springen würden und innerhalb von einer Minute unter Sirenengeheul die Wache verlassen würden, die dann noch nicht einmal verwaist daläge. In der Tat saßen zwei neue Feuerwehrleute den ganzen Tag in Schutzausrüstung da und warteten auf den Einsatz, der nicht kam. G. bewunderte sie für ihren Mut und freute sich, dass sie die Faulheit der Vielen noch nicht kannten. Gs. tansanischer Kollege Sw. erklärte ihm später noch die drei Feuerwehrmann-Typen, die es in Dar es Salaam gäbe: Der erste sei motiviert, übe viel und nehme seine Dienstkleidung zum Pflegen und Waschen mit nach Hause. Der zweite sei Soldat und könne Salutieren und seine Uniform bügeln, leider auch nicht mehr. Der dritte säße typischerweise im Hauptquartier und spiele auf seinem Smartphone herum. G. musste Sw. recht geben. Nachdem auf der Feuerwache strenge Führungskräfte und Routine weitgehend fehlen, entfallen nach Gs. Beobachtung bis zu 95 Prozent der Einsatzkräfte auf Typ 2 und 3. Das ist wohl kaum anders als überall, nur dass es eben keine Disziplinarstrafen gibt. Waldorfschule für Große.
Dann gab es Mittagessen, wali samaki (Reis mit Fisch). G. machte mit S. noch einen Beladungsplan für das Unfallhilfsfahrzeug und besprach ihn mit dem Rescue-Team-Chef C.. Anschließend versuchte G. noch herauszubekommen, warum der Leitstellencomputer Stromschläge verteilte (bis zu 50 Volt). Dazu konnte er auf drei solide Elektrik-Koffer der Feuerwehr Hamburg zurückgreifen. An der Feuerwache Ilala schätzt G., dass trotz der permanent prekären Situation immer wieder irgendwo solides Gerät auftaucht, mit dem sich arbeiten lässt. Es lag dann wohl nicht am Rechner, sondern am Schutzkontakt der Steckdose, der aus irgendwelchen Gründen unter Spannung stand, wie G. beim Berühren einer Schraube am Gehäuse der Steckdose bemerkte (100 Volt). Am nächsten Tag würde er den Rechner einfach in einem anderen Büro ausprobieren und sehen, ob sich das Problem beheben ließe. Dann würde er den Techniker rufen, damit er die Steckdose reparieren sollte. Der Techniker würde feststellen, dass ja nur ein zweiadriges Kabel an der Schutzkontakt-Steckdose angeschlossen sei, was ja verboten sei. Dann würde der Wachleiter informiert und das Hauptquartier würde eine Elektrik-Sanierung der gesamten Feuerwache in Auftrag geben. Anschließend würden noch alle Dachflächen saniert, das Einsatzbudget würde verdoppelt, die Hälfte der Bürokräfte würde entlassen und die Fortbildung der Feuerwehrleute würde forciert werden. Die Welt wäre wieder heile. G. steckte die Kabel vom Rechner ab und stellte ihn in die Ecke. Genug für heute. Er freute sich auf eine Dusche.
G. verlässt Dar
Falls sich jemand gewundert hat, warum G. so lange nicht mehr aufgetaucht ist, dann lag das an den harten Verhandlungen, in denen er bis vor kurzem steckte. Nun ist er erleichtert, ein für ihn zufriedenstellendes Ergebnis, mithin einen großen Wandel in seiner Freiwilligen-Karriere, erreicht zu haben. Seit gestern ist er ein Freiwilliger bei der Feuerwehr von Mombasa, die er bei ihren Einsätzen begleiten wird. Nach Dar es Salaam wird G. wegen verschiedener Unstimmigkeiten mit seinen Kollegen nicht mehr kommen, eine Wohnung hat er in Kenia schon. Ab sofort lebt er in einer Acht-Zimmer-Villa mit Meerblick, alleine. Besucher sind immer willkommen
Beim ersten Einsatz, den G. bestritten hat, galt es, ein brennendes Heizölbecken zu löschen, was rasch gelang.
Ob G. nach seinem Einsatz nach Deutschland zurückkehren wird, ist noch ungewiss, da er bereits von der Stadt Mombasa einen Folgevertrag als hochbezahlter Berater angeboten bekommen hat. Es warten also spannende Zeiten.
Images: Front door
Sitting at our front door at night, watching passing people and cars. Since the road in front of our house features one of the worst speeding bumps in Dar es Salaam it is always an adventure to watch cars passing it more or less successfully. As it got darker, shadows drew closer, cars became stripes of light that cast long shadows when their beams met people and objects. When looking at my familiar neighborhood through my camera, it gains new details and stories start to unfold. I offered the children a torch when they were searching something in the trench next to the road. They did not need my help since another man joined them. My Kiswahili did not reach far enough to understand what they were looking for. But for me it felt good interacting with them and not just being an observer.
Reportage: Schmutzige Ausländer
Westliche Immigranten in Tansania
jl, Dar es Salaam
Tansania ist ein Einwanderungsland, ein Vielvölkerstaat. Kongolesen, Jemeniten, Ugander und eben auch: Europäer. Bei der Integration dieser Menschen, die alle in dem ostafrikanischen Staat leben und arbeiten, geht es freilich nicht immer konfliktfrei zu, die Rede ist immer wieder von ungeregelten Formalitäten, Gesetzesbrüchen und Integrationsproblemen, die zur räumlichen Segregation der Einwanderergruppen führen. Ein Augenschein vor Ort zeigt, dass besonders europäische Einwanderer große Schwierigkeiten haben, sich in Tansania zu integrieren und vor Ort eine Lebensgrundlage aufzubauen. Bei einem Besuch im Stadtteil Masaki, der für seine Dichte an europäischen und nordamerikanischen Einwohnern berüchtigt ist, sehen wir: Es wird nicht übertrieben, wenn Lokalpolitiker und Polizisten von Ghettobildung sprechen. Um 23 Uhr sind am Wochenende die Immigranten in der Gegend um das Double Tree Hotel in der Regel unter sich. Mit der Zeit gelingt es unserem Team, ein wenig Zugang zu gewinnen zu den in den auf edel getrimmten Kneipen und den schummrigen Clubs herumlungernden Einwanderern, die hier vor einem oft tristen Arbeitsalltag Zuflucht suchen. Vor einem Restaurant treffen wir einen Mann, Mitte vierzig, der aus Furcht vor Konflikten mit seinem Umfeld seinen Namen nicht nennen möchte. Er wohnt nach eigenen Angaben schon drei Jahre in Dar es Salaam. Auf unsere Nachfrage, wie es ihm in der Stadt gehe, antwortet er leise, er habe Masaki noch nie verlassen. Arbeit hat er bei einer NGO gefunden, einer sogenannten Nichtregierungsorganisation. Diese im internationalen Ermittlerjargon auch als Banden bezeichneten Zusammenschlüsse operieren auch in Tansania mit dem Ziel, Wirtschaftsmigranten verdeckt Alimente von Familienmitgliedern oder Bandenchefs aus der Heimat zukommen zu lassen. Zahlreiche NGOs tarnen sich mit einem scheinbar gemeinnützigen Zweck, der in vielen Fällen allerdings darauf ausgelegt ist, das staatliche System des Ziellandes zu unterhöhlen und für weitere Aktivitäten des Mutterkartells vorzubereiten. Auch seine Organisation sei in diesen Sumpf aus Korruption und Vorteilsnahme involviert, gibt unser Gesprächspartner, nennen wir ihn Fred, widerwillig zu. Bei Treffen mit Politikern, die als Beratungen deklariert würden, flössen oft sogenannte Tagungsgelder, für die im Gegenzug Aufträge und andere Vorteile gewährt würden. Die Straßen leeren sich, wir brechen auf. Nachts gelten die verlassenen Alleen des Viertels als unsicher. Obwohl überall Sicherheitspersonal postiert ist, kommt es regelmäßig zu schweren Straftaten. Der Ghettocharakter lässt das Viertel eben nicht los. Im gepanzerten Geländewagen erreichen wir sicher das Hotel.
Ein weiteres Problem der westlichen Immigranten zeigte sich nach der Amtsübernahme der neuen Regierung unter Präsident John Pombe Magufuli, die mit dem Schlendrian vieler Behörden gegenüber Einwanderern aufräumen will. Zahlreiche der zumeist weißen Einwanderer verfügen nämlich weder über eine Arbeitserlaubnis in ihrem Beruf noch über eine gültige Aufenthaltsberechtigung. Ein anonymer Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde, den wir in Dar es Salaam treffen konnten, meinte dazu, dass es eben immer wieder vorgekommen sei, dass Ausländer positiv diskriminiert würden, um ihnen die Integration zu erleichtern. Auch bei der Strafverfolgung schauten Behörden oft weg, kritisiert unser Informant. Doch dieses Tabu müsse ein Ende haben. Auch Einwanderer hätten sich den Maßstäben eines Rechtsstaates zu stellen. Zumal es sich zeigt, dass in vielen Fällen der kulante Umgang mit den Immigranten zu schweren Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führt und sich zahlreiche Wazungu, wie die westlichen Einwanderer auch genannt werden, trotz großen Entgegenkommens gar nicht integrieren wollen. In Tansania wird Einwanderung insbesondere von als „Freiwilligen“ deklarierten unterbezahlten Hilfsarbeitskräften zumeist unter der Auflage der Arbeitsmarktneutralität gewährt. Doch der Besuch in einem Jugendzentrum im Stadtteil Ubungo zeigt, dass dies oft umgangen wird. Eine junge Deutsche, die lediglich die Schule abgeschlossen hat und über keine weitere Ausbildung verfügt, gibt Kindern Musikunterricht. Die Leiterin des Zentrums erzählt im Gespräch, dass Unternehmer und Betreiber von öffentlichen Einrichtungen oft keine Wahl gelassen würde, da die Aufnahme von Freiwilligen politisch zu stark fehlgefördert sei, um dagegen Maßnahmen zu unternehmen. Selbstverständlich gäbe es geeignetere Kandidatinnen und Kandidaten für die Stelle, doch den Europäern und Nordamerikanern würden auch ohne Qualifikationen Stellen angeboten, auf die normale Tansanier jahrelang warten müssten. Immerhin sei sie motiviert und bemüht, die Sprache zu lernen, meint die Leiterin über die Deutsche. Zum Ende unseres Aufenthalts gelingt es uns, Zugang zu einer Einwanderergruppe zu erhalten, die nicht im Ghetto von Masaki haust, sondern eine Bleibe in einem mehrheitlich von Tansaniern bewohnten Viertel gefunden hat.
Als wir am Tor eines kleinen Hauses in Magomeni klopfen, nähern sich Schritte, ein weißes Gesicht starrt misstrauisch durch den Türspalt. Bereits in den ersten Minuten des Gesprächs wird klar, dass die Einwanderer trotz ihrer Wohnung außerhalb des Ghettos kaum in Kontakt mit ihrer Umwelt treten. Grund: Fehlende Sprachkenntnisse und Fremdheitsgefühle. Am Wochenende verbringen sie ihre Zeit lieber mit Landsleuten, tansanische Freunde haben sie wenige. Der Besitzer des lokalen Lebensmittelgeschäfts, mit dem wir nach dem bedrückenden Besuch ins Gespräch kommen, hält im Prinzip viel auf Einwanderer. Sie seien eine Bereicherung für die Kultur, in Tansania sei jeder willkommen. Bei den drei deutschen Männern, die auf der anderen Straßenseite einquartiert wurden, sieht er allerdings große Probleme. Gerade einer von ihnen könne ausreichend Kiswahili, um mit ihm ein geordnetes Gespräch zu führen und das, obwohl den Einwanderern Sprachkurse ermöglicht würden und sie Mentoren zur Integrationshilfe hätten. Vor einigen Monaten habe noch eine deutsche Frau in dem Haus gewohnt. Sie habe perfekt Kiswahili gesprochen und sich der lokalen Kultur angepasst, regelmäßig saß sie im kleinen Imbiss um die Ecke, im Gespräch mit Anwohnern. Doch dass solche Fälle der geglückten Integration Ausnahmen seien, kann auch die Chefin des lokalen Polizeipostens bestätigen, der neben dem Lebensmittelgeschäft liegt. Letzte Woche hätte sich beispielsweise gezeigt, dass es hinsichtlich der Müllentsorgung bei den Immigranten noch sehr hapere. Der Abfall von drei Monaten habe in unterschiedlichen Verfallsstadien in deren Hof herumgelegen, bis die drei Männer ihn auf Bitten der Nachbarn hin entsorgt hätten. Der Geruch hätte die drei Deutschen offenbar nicht gestört, sie seien den Schmutz wahrscheinlich schon aus ihrem Herkunftsland gewöhnt. Dass man hier seine Müllentsorgung organisieren muss und dafür einen Dienstleister benötigt, sei an den Männern völlig vorbeigegangen. In der ersten Zeit hätten sie ihren Abfall einfach vor die Tür gestellt. Wahrscheinlich mache man das in Deutschland so, erklärt die resolute Beamtin. Man habe nachbarschaftlich geholfen, doch irgendwann habe jede Geduld ein Ende. Doch das die Männer den Abfall einfach horten würden, habe sie nicht erwartet. Ihnen stünde noch ein langer Integrationsprozess bevor. Freundlich grüßen genüge auf Dauer nicht. Auch die Deutschen hätten erst nach mehreren Monaten gültige Papiere besessen, obwohl sie bereits in verschiedenen öffentlichen Behörden arbeiteten. Das läge an der positiven Diskriminierung der weißen Ausländer, die den Tansaniern die Arbeit wegnähmen. Auf unseren Einwand, auch die drei Immigranten aus dem Viertel blieben wohl nur für ein Jahr, reagiert die Polizistin unwirsch. Manche verlängerten ihren Aufenthalt, dann tauchten wieder aus dem nichts dubiose „Freunde“ der Immigranten auf, die aus- und eingingen, mit wer weiß was für Geschäften. Viele kämen zudem nach ihrem Erstaufenthalt zurück, das Problem bliebe also oft länger als für den nominal vereinbarten Zeitraum bestehen.
Wohl sei ihr bei der ganzen Sache nicht. Wer könne schon ahnen, ob man mit den ganzen Arbeitsmigranten nicht auch Kriminelle und Terroristen anzöge. Dass zwei der Deutschen häufig fotografierten, könne bereits ein Indiz für ihre Ausforschung von möglichen Tatorten sein, da sie ja bekanntermaßen mit großen Kartellen in ihrem Heimatland zusammenarbeiteten. Das Vorgehen gegen diese Banden sei allerdings schwer, räumt die Polizistin ein. Doch es sei wichtig, sich mit der Gefahr auseinanderzusetzen, selbst wenn es offenkundig die Regierung noch nicht ausreichend tue. „Wir werden jedenfalls wachsam bleiben“, verabschiedet sich die Beamtin bei uns.
Images: Training
Breathing apparatus training for a small group of firefighters
Intensified practice for technical problems
Exercises for mentally preparing BA wearers to respond calmly to emergencies
In many cases visibility inside buildings is very low. Therefore it is necessary to train carrying out routine tasks without having to look at equipment and colleagues. The exercise also helps improving orientation which is important to find the way back in case of an emergency.
As the firefighter’s own safety comes first, rescuing injured or unconscious colleagues is an important skill to be obtained. A firefighter wearing full gear can easily weigh 100 kgs. In this picture I served as a victim. Being dragged along is very relaxing while pulling a colleague away from the danger zone is hard work.
For dragging persons different techniques can be used. The instructor shows how to pull an injured firefighter downstairs. When dragging a colleague outside you are very aware of the distance still to go. Being pulled out of the building myself I quickly lost orientation being put on the ground several times and then dragged again.
Working in confined spaces is dangerous and mentally challenging. To withstand stress when being stuck or not immediately finding a way to escape is important for safe work. Inside a special box construction called smoke chamber these situations can be trained safely.
A 300 bar air cylinder can provide its wearer with air for up to 54 minutes. Finally taking off the face mask after exercise is always a relief. In this exercise I was stuck for three minutes at the very end of the smoke chamber route because I was unable to remove a fire hose serving as a guiding rope from the space between helmet and cylinder while trying to move forward.
Some firefighters had only worn BA once before this training unit. Most coped very well with the new situation, showing strength and resilience. After finishing the program on Friday they will be valuable members of the fire squad. I was not on the picture since I was heading to another appointment. Looking into my colleagues‘ faces I regret not sitting at their side.
G.: Eine Fotografie in Worten
G. war mit dem Fahrrad unterwegs. Er kam vom Frisbeespielen am Strand und wollte nach Hause. Kurz vor der großen Kreuzung in Morocco kam er in einen Stau, durch den er sich schlängelte, bis er an der Spitze ein Blaulicht sah. Auf der Ali Hassan Mwinyi Road zogen schwarze Geländewagen vorbei, ein Regierungskonvoi. Als G. sich der Polizeiabsperrung näherte, rauschte der letzte Jeep vorbei und Motorradfahrer und Fußgänger ergossen sich auf die Fahrbahn. Als G. auf die Kreuzung fuhr, war die Kreuzung noch gesperrt. Zwischen den Hochhäusern in Makumbusho ging die Sonne unter. Die leere Straße glänzte matt im Abendlicht, das sich an ein paar Wolken brach. Gs. Kamera lag tief im Rucksack vergraben. G. folgte mit den Augen der Straße, bis sie zwischen den Häusern verschwand. In diesen Momenten liebt G. Dar es Salaam, das neben seiner hässlichen, entstellten Seite manchmal Momente des Friedens kennt, die sich einfach so auftun und solange dauern, wie es braucht, mit dem Fahrrad eine Kreuzung zu passieren. Er wendete seine Augen ab und und schaute wieder auf den Asphalt der Kawawa Road, dem Abendessen entgegen.
Images: Exercise using spreader and cutter
Exercise at the fire station to train the use of hydraulic rescue tools
Hydraulic cutting and spreading tools are used to gain access to injured persons after traffic accidents. Hydraulic spreaders help to force doors open when the vehicle is deformed by the impact of the crash. Using hydraulic cutters firefighters can efficiently open cars by cutting off beams and other parts of the superstructure in order to rescue injured people. Since the machines are operated at an oil pressure of 800 bar within the system training is required to handle the force and the dangers posed by wielding these powerful tools. The exercise was carried out under perfectly controlled conditions and it can be hoped that the firefighters will be able to transfer their skills to a much more chaotic and challenging roadside situation they may encounter in the future.
G.: Vielleicht fünf Stunden
Am frühen Vormittag saß G. im Büro und konfigurierte an einem Karten-Programm für die Leitstelle herum, als ein Feuerwehrmann ins Büro gerannt kam. Er möge sofort kommen, C. wolle ihn für einen Rettungseinsatz mitnehmen. S. war gerade Computerausrüstung einkaufen, also griff G. den Notfallkoffer, seinen Helm und die Jacke und sie rannten zum Rescue Tender (ein Feuerwehrauto ohne Pumpe und Schläuche, in dem Rettungsgeräte und Werkzeug transportiert werden, darunter ein Schlauchboot, Schere und Spreizer, Atemschutzgeräte und eine Schleifkorbtrage). Die Mannschaft saß schon bereit und es ging über Gegenfahrbahnen, Verkehrsinseln und durch Schlaglöcher in ein recht abgelegenes Viertel hinter dem Flughafen. Hinter der Mauer war ein neues, weißes Passagierterminal im Bau. Auf der anderen Seite ein Hüttenviertel und ein paar Menschen, die den Weg wiesen. Als sie sich gerade durch die enge Gasse wanden und auf eine großen Menschenmenge zusteuerten, stand plötzlich S. auf dem Trittbrett, der gerade vom Einkaufen zurückgekommen war und flugs mit einem Motorrad hinterhergebracht wurde.
Der Einsatzleiter C. stieg aus und erkundigte sich nach der Lage. Die Polizisten erklärten ihm, dass eine junge Frau bereits in der Nacht in einem Wasserbehälter ertrunken sei. Auf dem Jeep der Polizisten war unter einer hellen Decke schemenhaft ein menschlicher Körper erkennbar, die Gliedmaßen angewinkelt. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt, die Rettungskräfte waren also alarmiert worden, als es für jede Hilfe schon zu spät war. Die Menschen um das Feuerwehrauto trugen düstere Mienen und schauten argwöhnisch und ein bisschen neugierig zu den Feuerwehrleuten hinauf. G. war ein bisschen unruhig. Er wollte gerne aussteigen und sich umsehen, allein um zu verstehen, wie der Unfall passieren konnte. Seine Kollegen fragten ihn, ob er schauen wollte und warnten ihn vor Steinwürfen, da die Anwohner bei spätem Eintreffen der Rettungskräfte oft wütend seien. Gemeinsam mit S., der noch von der Fahrt voller Adrenalin war und der G. angesichts der Situation ein wenig zu aktiv vorkam, ging er los. In solchen Momenten setzt G. immer darauf, die soziale Interaktion mit dem Umfeld zu minimieren. Wenn er um sich blickt, dann so, dass klar ist, dass er Informationen sammelt und jeder, der ihn aggressiv angehen will, erst einmal eine Wand aus innerer Distanziertheit und gleichzeitig hoher Wachsamkeit nach außen überwinden muss. Der Unfallort war eine runde, offene Zisterne mit ungefähr zwei Metern Durchmesser. Der Wasserspiegel lag eineinhalb Meter unter der Mauerkante. Ohne ein Seil oder die Leiter, die man zur Bergung in das Becken gestellt hatte, hätte sich vermutlich niemand selbständig aus der Zisterne retten können. Hätte die Frau schwimmen können, wäre es allerdings möglich gewesen, sich über Wasser zu halten und um Hilfe zu rufen, da ein Wohnhaus direkt nebenan war. Möglicherweise war die Frau auch durch einen unglücklichen Sturz bewusstlos geworden, sodass sie keine Möglichkeit hatte, um Hilfe zu rufen. Auch wenn die Frau nicht schwimmen konnte, verwunderte es G. ein wenig, dass niemand sie gehört hatte, vorausgesetzt, dass sie bei Bewusstsein war, da die Häuser dicht beieinander standen und der Tod durch Ertrinken meistens mit recht großer Aktivität des Opfers einhergeht, zumindest für kurze Zeit. In Gs. Gedanken tauchte kurz die Überlegung auf, ob möglicherweise jemand absichtlich herbeigeführt hatte, dass die Frau in die Zisterne fiel, doch dies war reine Spekulation und würde sich nicht überprüfen lassen. Zu welchem Nutzen auch? G. erkundigte sich, wann die Frau gefunden worden sei. Morgens. Nach der Ausprägung der Leichenstarre zu urteilen, war die Frau schon eine ganze Weile tot. Vielleicht fünf Stunden. G. drückte den Umstehenden mit knappen Worten sein Beileid aus. S. fotografierte mit seiner Helmkamera den Brunnen, was G. für einen kurzen Augenblick störte. Dann gingen sie zum Auto zurück.
Auf dem Rückweg war der Einsatz kein Thema mehr, es wurde vielmehr diskutiert, welches Essen G. in Tansania besonders möge und welche Frauen er besonders attraktiv fände. Früchte und Chapati, bei der anderen Frage war die Antwort komplizierter und G. konterte mit der Frage, was für Männer die Feuerwehrfrauen gut fänden. Auf der Eisenbahnbrücke kurz vor der Innenstadt blieb das Feuerwehrauto liegen, wegen schwacher Batterie oder Problemen mit der Zündung. Durch Anschieben wurde es wieder in Gang gebracht und das Rettungsteam kehrte auf die Wache zurück.
G.: Redmond, wir haben ein Problem!
Die digitale Datenspeicherung hat der Welt eine große Möglichkeit beschert: Informationen können faktisch ohne materiellen Aufwand vervielfältigt und verbreitet werden. Das haben auch die deutschen Ausbilder auf der Feuerwache erkannt und seit einigen Jahren erhalten die von ihnen ausgebildeten tansanischen Instruktoren Laptops mit dem benötigten Unterrichtsmaterial, die diese auch privat benutzen können, um sich mit wechselndem Erfolg und nach persönlichem Bildungsstand mit dem Internet zu vernetzen. Nachdem G. nun von zu Hause einen Rechner erhalten hatte, war sein Ersatzrechner aus den Beständen der Hamburger Stadtverwaltung überflüssig und sollte für einen solchen Zweck verwendet werden. Nun hatte G. allerdings bereits eine Linux-Distribution auf dem Rechner installiert, alle Software gratis, anpassbar und sicher. Aber kein Problem, neue Linux-Installation, anderes Festplatten-Passwort, ein paar Zusatzprogramme und fertig für den Anwender, einen Inspektor der Feuerwache.
Doch es gab ein Problem, auf das R. G. hinwies. Kein Mensch will Linux haben. Der flächendeckende Standard ist Windows, oft in den Versionen abwärts von sieben. Ein paar DJs und die Oberschicht verwenden Apple, das war es. Linux existiert in der Nerd-Community des Fablab, in der freien Wildbahn sucht man es so vergeblich wie einen Kaktus am Südpol. G. protestierte und ließ den Inspektor entscheiden. Beim Wort Linux schaute ihn dieser an, als habe er ihm gerade auf Fränkisch die Bestandteile eines Elisenlebkuchens erläutert. Keine Chance, dass er schon einmal von der Betriebssystem-Plattform gehört hatte. Beim Wort Windows zauberte sich dagegen ein dankbares Lächeln auf das Gesicht des Feuerwehrmanns und die Sache war entschieden.
R. drückte G. eine Windows-7-Installations-DVD in die Hand. G. steckte eine Festplatte an, sicherte seine Daten, überschrieb die Festplatte und startete die Installation des Software-Dinosauriers. Keine Auswahl des Dateisystems, 32-bit-Betriebssystem auf einem 64-bit-Rechner, keine Verschlüsselungsoptionen, kein Office-Paket. Am Ende gab es dann zur Belohnung ein hässlich animiertes florales Motiv als Hintergrundbild, gemeinsam mit der halbtransparenten Optik in Baby-Blau, die so aussieht, als habe man ein Foto von einer Einbauküche abstrahiert und dann mit einer GoPro im Swimmingpool abfotografiert. G. war also nicht wirklich mit dem Ausgang zufrieden. Im Gespräch mit seinem Kollegen S. lobte G. immerhin die Bedienbarkeit des Systems. Die findet er zwar schlecht, aber das ist auch Gewöhnungssache und außerdem ist es wohl kein Wunder, dass tausende von überbezahlten Ingenieuren irgendwie eine halbwegs verwendbare Benutzeroberfläche hinbekommen.
Egal, Open Office und VLC-Mediaplayer verwandelten das Ganze dann doch in ein verwendbares Gerät. Als einzige Schikane baute G. einen separaten Administrator-Account ein, damit nicht gleich der erste Virus das komplette System lahmlegen würde.
*Anmerkung des Autors: Hier ist der noch halbwegs deskriptive Teil des Textes zu Ende. Wer weiterliest, wird einer globalisierungskritischen und Microsoft-feindlichen Tirade Gs. ausgesetzt.*
Der Computer hat die Menschheit vorangebracht. Richtig angewendet, kann man digitale Datenverarbeitung bedingungslos als Fortschritt bezeichnen. Doch wie bei jedem Fortschritt ist es auch beim Computer so, dass diejenigen am meisten davon profitieren, die das größte Wissen besitzen. G. ist wahrscheinlich ein Nerd, aber er kann Gegenstände in 3D drucken, er kann kleinere Systemprobleme durch geeignete Kommando-Eingaben beheben und weiß, wie man ein Daten-Backup erstellt. Ok, kann man anfügen, muss er auch wissen, wenn er schon so blöd ist, Linux zu benutzen. Da lebt es sich für viele Mitmenschen doch besser mit dem seit drei Jahren nicht aktualisierten Windows-Betriebssystem und dem neuesten Smartphone, mit dem man 20-Megapixel-Whatsapp-Bilder von seinem zerbröckelten Geburtstagskuchen verschicken kann. Sie machen sich keine digitalen Sorgen und haben folglich auch keine, zumindest, bis sie einen APN einrichten müssen oder ihre Festplatte nach dem fünften Sturz kaputt ist, ohne Backup. Aber dann rennen sie in einen von irgendwelchen Immigranten betriebenen Elektronikladen und lassen das machen. Große Teile der Angehörigen dieser
Benutzergruppe kommen aus sozialen Milieus mit speziellen Herausforderungen, herkömmlich auch als Unterschicht bezeichnet. Oder sie kommen aus der digitalen Unterschicht, Generation 40+. An dieser Stelle könnte man ein Streitgespräch über die Durchlässigkeit sozialer Schichten in Deutschland anfügen und ob es gerecht ist, dass G. aufgrund seiner guten Ausbildung ein kostenfreies und allgemein zugängliches Linux-System benutzen darf. Und ob man die älteren Menschen verurteilen kann, weil sie keine Ahnung von diesem neuen Zeug haben. Auch wenn dieses Streitgespräch wegen Uferlosigkeit auslässt, kann man doch konstatieren, dass die meisten Menschen in Deutschland relativ guten Zugang zu digitalen Ressourcen besitzen. Weiterhin kann man feststellen, dass sie angesichts der massenhaft und teilweise kostenfrei zur Verfügung stehenden Bildungsangeboten tatsächlich recht einfach die Möglichkeit hätten, digitale Arbeitsgänge zu erlernen. Zudem stellt der Internetzugang in der sozialen Grundsicherung faktisch ein Grundbedürfnis dar.
Das ist in Tansania nicht so. Eine soziale Grundsicherung gibt es nicht. Und ein Recht auf Internetzugang schon gar nicht. Die Bildungslandschaft ist eine Katastrophe und der Staat ist zerfressen von den Interessen nationaler und internationaler Unternehmen, die sich mit Korruption und Vetternwirtschaft eine goldene Nase verdienen. Kein schönes Feld also für eine bürgerrechtsorientierte, individualistische, akademische Bewegung, aus der auch die Idee für Software wie Linux hervorgebracht wurde. An dieser Stelle kann man hinterfragen, ob Individualismus und die tansanische Kultur überhaupt zueinanderpassen. Bevor das getan wird, fragt G. lieber: Welche tansanische Kultur? Die der von Kolonialismus, Revolution und Kapitalismus zerrütteten Gesellschaft? Die der vom Tourismus korrumpierten Massai? Oder die der reaktionär-islamistischen Splittergruppen Sansibars, die gerne nach der Scharia leben würden? Individualismus als Motor für gesellschaftliches Bewusstsein wird in Tansania dringend benötigt. Insbesondere digital, denn das Internet ist in Ländern, wo die nächste Bibliothek oft geographisch unerreichbar und veraltet ist, eine essentielle Bildungsquelle. Insgesamt vermutet G., dass Tansania im Bereich der Internet-Infrastruktur, Datensicherheit und Software-Innovation im Allgemeinen um mindestens zehn Jahre hinter dem Westen liegt. Und hier kommen Unternehmen wie Microsoft ins Spiel. Auch im Westen bombardiert das Unternehmen den Markt mit schrottigen Anwendungen, Dumping-Lizenzen und Software, die die Benutzer gläsern macht. Allerdings gibt es Kundenschützer und Gerichte, die den Konzern zu schmerzhaften Strafen verurteilen, wenn er z.B. bestimmte Quellcodes den Drittentwicklern absichtlich nicht offenlegt, um sie vom Markt fernzuhalten. In Tansania geschieht eine solche Überwachung durch Staat und Öffentlichkeit faktisch nicht. Und so entsteht wie auf vielen Gebieten eine Vernachlässigung und Ausbeutung des globalen Südens durch die Wirtschaft, weil niemand da ist, grundlegende Rechte einzufordern. Das bedingt im digitalen Bereich eine problematische Kette.
Welcher Computer hält in Tansania die klimatischen Strapazen lange durch? Wenige. Wer kann sich in Tansania einen fabrikneuen Computer mit der OEM-Installation des Windows-Betriebssystems leisten? Kaum jemand. Wer macht sich die Mühe, für jeden seiner klapprigen Rechner alle proprietären Lizenzen beim inexistenten Windows-Store für ein halbes Jahresgehalt nachzukaufen? Absolut gar keiner.
Verständlich also, dass es auf dem tansanischen Elektronikmarkt faktisch nur B-Ware oder veraltete Produkte gibt. Die Software wird grundlegend raubkopiert und ist ebenfalls veraltet, was Konzerne wie Microsoft wegen ausbleibender Gewinne nicht zu Investitionen in diesen Markt lockt, den sie trotzdem wegen der Firmenkunden und der Hoffnung auf zukünftiges Wachstum nicht aus der Hand geben wollen. Marktwirtschaftlich ist dies verständlich, technologisch ist es fatal. Denn in die Nische alter Hardware und fehlender Mittel könnte Linux optimal einsteigen. Es könnte nur eben keine Gewinne erzielen, höchstens für die lokale Bevölkerung. Es gibt Distributionen, die selbst auf Rechnern vom Ende der 90er-Jahre laufen und trotzdem benutzbar sind und mit denen man im Industriestandard ODF verwertbare Dokumente erstellen sowie im Internet surfen kann. Sogar die ärmsten Anwender hätten die Möglichkeit, mit einem USB-Stick und einer Live-CD einen mit anderen geteilten Rechner autonom zu betreiben. Dazu fehlt aber das Wissen in der Bevölkerung und die Bereitschaft einer mächtigen Firma, einen Markt, den sie mit ihren Mitteln nicht bespielen kann, zu räumen. Das interessiert die Manager in Redmond kaum, aber es sollte gesagt werden. Linux is waiting around the corner. Und G. wird einiges daran setzen, dass es auf die neuen alten Rechner eines ihm bekannten, lokalen Jugendzentrums kommt, wenn sie aus Deutschland eintreffen. Redmond, der Kampf hat begonnen. Dein Don Quijote.