Ein nebliger Herbstmorgen Ende September, ich bin aus meinem Bett gesprungen, habe die Kamera genommen und bin zu den Pegnitzwiesen geradelt. Bereits nach einer Viertelstunde war der Nebel verschwunden, doch die Bilder konnte ich mitnehmen.
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Fenster und Türen
Schweden I
G. ist in Stockholm Arlanda angekommen. Zusammen mit seiner Schwester sitzt er in der Lounge der Schwedischen Staatsbahn SJ und schaut aus dem Fenster auf das trübe Rollfeld, wo langsam die Lichter angehen. G. schlägt vor, ein Computerglossar für Anfänger zu beginnen. Zum Geburtstag hat er seiner Schwester einen Gutschein für das gemeinsame Zusammenbauen eines Rechners geschenkt. Es wird Zeit für sie, hatte er gedacht, mit dreizehn muss man IT langsam drauf haben, dann kommt man auf die coole Seite der Macht. Als sie zu schreiben beginnen, fallen G. die Begriffe nur spärlich ein. Er bemerkt auch, dass er von vielen Fachwörtern eigentlich keine große Ahnung hat. Klar kann er grob damit umgehen, aber ein Glossar mit einer exakten Erklärung schreiben? G. fühlt sich etwas anmaßend. Seine Freunde sehen ihn als Nerd, weil er ein bisschen mehr weiß als der Rest. Wenn G. mit richtigen Nerds zu tun hat, fühlt er sich manchmal als jemand, den man euphemistisch als Social Thinker bezeichnen könnte. Jedenfalls nicht wie jemand, der im Handumdrehen ein paar dysfunktionale Treiber patcht. Supermarkt gibt es keinen am Flughafen, nur überteuerte Schrottläden. G. hat Hunger. Mit seiner Schwester macht er sich auf den Weg zum Bahnhof. Durch lange Gänge und mit einer ewigen Rolltreppe in den Granit des skandinavischen Schildes kommen sie auf den Bahnsteig. Bei der Zugangskontrolle werden sie kurz angehalten. G. zeigt die Billetts vor und ist selbst überrascht davon, wie flüssig sein Schwedisch zumindest in den eigenen Ohren klingt. Der Bahnhof ist futuristisch und archaisch gleichzeitig. Die Deckenbeleuchtung spiegelt sich auf dem blankpolierten, etwas welligen Boden, über den Köpfen hängt mit den Jahren schwarz gewordener Spritzbeton. Zwei deutsche Backpackerinnen kommen auf den Bahnsteig. G. erkennt sie zunächst an der Sprache. Es ist aber auch so klar, denn niemand sonst läuft mit einem fetten Alpakaschal als Mantel, Leggins und Wanderschuhen herum. G.s Schubladensystem triumphiert. Lustig, dass es so klare Gattungen von Menschen gibt. Die Kreativ-Öko-Selbständig-Backpacker aus Deutschland zum Beispiel. Wahlweise kommunistisch oder unpolitisch. In jedem Fall irgendwie grün und alternativ. Schluss mit dem Sarkasmus, denkt sich G. und nimmt sich vor, ab sofort wieder menschenfreundlich und von Akzeptanz und Respekt erfüllt zu sein. Donnernd und schwarz fährt der Intercity ein. G. mag solche Züge. Das ist eine andere Art zu reisen, als mit den schmutzig-weißen Fernzügen der deutschen Bahn, die auf 21. Jahrhundert gestylt wurden, ohne richtig dort angekommen zu sein. Doch wir waren ja bei Toleranz und Weltoffenheit. Du solltest aufhören, zu haten, denkt sich G.. Er und seine Schwester steigen ein.
Unterwegs: Bernhards Porträt, eine Begegnung
Bernhard
Bernhard sitzt im ICE nach Frankfurt. Beim Durchgehen der Unterlagen merkt er, dass er seinen Geldbeutel mit Fahrschein und Bahncard im Hotel liegen gelassen hat. Scheiß Dienstreisen, denkt er sich. Bernhard hat 36 Stunden nicht geschlafen. Präsentationen beim Kunden, anschließend Geschäftsessen und in der Nacht noch die Videokonferenz beim Produzenten in Singapur. Dass er vor 8 Monaten bei einem großen Gerätehersteller den Job als Produktionscontroller übernommen hat, passt seiner Frau gar nicht. Ihr gemeinsamer Sohn Jan könnte in ihren Augen einen deutlich präsenteren Vater gebrauchen. Er wird bald vier und im Prinzip hatte Rebekka davon geträumt, dass sich Bernhard nach der Geburt ihres Kindes mehr Zeit nehmen würde. Als Kind war sie immer mit der Familie wandern gewesen. Als sie Bernhard kennengelernt hatte, war sie von seiner Kulturbegeisterung fasziniert. Das kannte sie aus ihrer Handwerkerfamilie im Taunus nicht. Aber das war mit den Jahren mehr und mehr geschwunden, je länger sich ihr Mann von Managerposten zu Managerposten hangelte. Manchmal hat sie Zweifel. Sie liebt Bernhard, keine Frage und Bernhard liebt sie doch wohl auch? Die Geschenke und Gadgets, die er nach den Reisen mitbringt, zeigen ja, dass er sich bemüht. Aber könnten sie nicht einfach einmal gemeinsam kochen und einen Abend auf der Terasse verbringen?
Bernhard denkt: Mist, wenn ich jetzt auf Dienstreise beim Schwarzfahren erwischt werde, geht das nicht. Er zahlt zähneknirschend die 136€, die ihm die bärtige Schaffnerin für ein Ticket abnimmt. Immer geht es ihm so: Irgendein Fehler, der seine Pläne über den Haufen wirft. Eigentlich hat er Ideen, kluge Pläne. Doch schon in der Schule war es so, dass ihm keiner seine Visionen so richtig abkaufen wollte. Er galt als mittelmäßig und langweilig. Daran änderten auch Ralph-Lauren-Polohemden nichts. Die Brille war ebenfalls nicht hilfreich. Bis er Rebekka kennenlernte. Sie war niemand, der auf solchen Trallala, wie sie es nannte, achtgab. In dem Viertel, in dem sie geboren war, gab es tausend schrullige Leute. Was spielte es für eine Rolle, ob der Typ, den sie in der Unimensa kennenlernte, blaue oder grüne Haare hatte. Er war ein ehrlicher Kerl, auch wenn er es oft anscheinend nicht leicht hatte. Rebekka war mehr der Beschützertyp. Als sie vor sechs Jahren geheiratet hatten, fand sie es aufregend, dass sie nun mit jemandem, der so völlig anders war als sie, ihr Leben teilen würde. Mit ihrer Stelle bei einer Bausanierungsfirma hatte sie sogar gelegentlich unter der Woche frei. Zeit, mit Bernhard etwas zu unternehmen. Meistens hatte sie an diesen Tagen seine Emails aus irgendeiner chinesischen Stadt oder aus dem Firmenhauptsitz in Berlin gelesen. Verdammt, warum musste sich Bernhard immer so in Arbeit vergraben.
Bernhard schaut aus dem Fenster. Signale und Lichter spiegeln sich in der Scheibe. Er sollte sich mal wieder rasieren. Vororte von Frankfurt ziehen vorbei. Bernhard freut sich auf zu Hause.
FAQ – Das Wissenswerte
Rahmen
Das Weltwärts-Programm bietet Menschen aller Altersstufen die Möglichkeit, einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst zu leisten. Die operative Verantwortung obliegt der Global Engagement GmbH, die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) dessen Weltwärts-Programm durchführt. Verschiedene Organisationen, die Freiwillige entsenden, werden vom BMZ finanziell und von Weltwärts organisatorisch unterstützt. Meine Einsatzstelle wird von der Organisation Arbeit und Leben Hamburg e.V. betreut, die zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gehört. Ihre Aktivitäten umfassen Erwachsenenbildung, berufliche Weiterbildung und Maßnahmen zur sozialen Aufwertung von Brennpunktvierteln in Hamburg.
Details zur Organisation:
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Freiwillige
Je nach Einsatzstelle variieren die Anforderungen an die Ausbildung der Freiwilligen. In meinem Fall wurde eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich Metallbau, Elektrik oder Kfz-Mechanik vorausgesetzt. Die Tätigkeit ist ehrenamtlich, die Freiwilligen erhalten ein Taschengeld, Kost und Logis nach landesüblichen Standards. Die Kosten für den Einsatz werden zu ca. 75% vom BMZ gedeckt, der Rest soll von den Freiwilligen durch Spenden selbst gedeckt werden. Für mein Auslandsjahr belaufen sich die Gesamtkosten auf ca. 8.000 €, womit bei mir ein ungefähr aufzubringender Betrag von 2.000 € zu decken ist. Wer dazu beiträgt, dass ich diese Leistung erbringen kann, dem gilt mein herzlicher Dank.
Details zu meiner Einsatzstelle: http://www.weltwaerts.de/de/ep-detail.html?id=210873
Spendenkonto
Arbeit und Leben DGB/VHS Hamburg e. V.
IBAN: DE90210500000286088000
BIC: HSHNDEHHXXX
Einsatz
Von den Freiwilligen wird erwartet, dass sie sich in die Arbeitswelt und den Alltag ihres Ziellandes einordnen. Sie sollen die Kultur und die Gepflogenheiten des Landes respektieren. In unserem Vertrag steht, dass wir nichts unternehmen sollen, dass dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schadet. Unsere Arbeit soll zur Entwicklungszusammenarbeit zwischen den Ländern beitragen und im Zielland Fortschritte bewirken. Durch geeignete Berichte und Aktivitäten soll das Umfeld der Freiwilligen und die Öffentlichkeit auf die Möglichkeiten des ehrenamtlichen Einsatzes aufmerksam gemacht werden. Es wird erwartet, dass die Freiwilligen auch nach ihrem Einsatz z.B. an der Schulung neuer Freiwilliger teilnehmen und sich für entwicklungspolitische Zusammenarbeit einsetzen.