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G. war wieder in Paje

Sonntagnachmittag, es regnete in Strömen und G. stand im Stadtteil Posta vor einem Kleidungsgeschäft. Er hatte sich vor der Sintflut untergestellt und war unterwegs zum Schalter der Sansibar-Fähre, die vom ebenso unsympathischen wie geschäftstüchtigen Azam-Konzern betrieben wird, um Fährtickets abzuholen. Sechs Monate waren vergangen, seitdem G. in Tansania angekommen war. Das Zwischenseminar stand an, eine Momentaufnahme und ein Ausblick nach der Hälfte der Dienstzeit. Der Mann hinter der Glasscheibe des Fährterminals beschied ihm allerdings, dass trotz der Online-Reservierung alle Ausweise im Original vorliegen müssten, um den Residents-Tarif zu gewähren. G. fuhr nach Hause. Immerhin hatte der Regen aufgehört und in der überschwemmten Jangwani-Ebene spiegelte sich ein Hochhaus.

Am frühen Montagmorgen machten sich G. und seine Kollegen dann auf zur Fähre. Es war dunkel und noch kühl. Ins Schwitzen kamen sie dann so richtig nach der Ankunft in Sansibar-Stadt, wo sie mit einem Überlandbus weiterfuhren. Am späten Vormittag kam die Gruppe dann bei drückender Hitze in Paje an. Die Unterkunft hatte aber eine gute Dusche und nachdem die anderen Teilnehmerinnen des Seminars eingetroffen waren, gab es ein schmackhaftes, wenn auch aus Gs. Sicht etwas kleines Mittagessen. Das änderte sich aber schon bald, nachdem der Koordinator J. freundlich mit der Küche gesprochen hatte. Die Weltwärts-Kolleginnen waren eine wirkliche Überraschung. Sie waren als Lehrerinnen der Deutsch-Tansanischen Partnerschaft (DTP) angekündigt worden. Damals hatte G. mit Schrecken an Gutmenschen in der Selbstfindungsphase gedacht, die gerne schwarzen Kindern helfen wollen. Natürlich handelte es sich bei den DTP-Leuten um gute Menschen, aber durchaus lustiger und umgänglicher Natur. Zudem waren sie fachlich qualifiziert für ihren Job und nicht irgendwelche Abiturientinnen, die sich einbilden, tansanischen Schülern die Welt zu erklären.

So kam es auch, dass die Freiwilligen aus Dar mit Ausnahme von S., der seine Abreise vorbereitete, am Ende des Seminars noch einen Tag in Stone Town blieben. G. hatte in den fünf Seminartagen sein soziales Netzwerk analysiert, sein Prestigeprojekt geplant, ein Gespräch mit einer Psychologin gehabt und seinem Nutella- und Papayawahn gefrönt. Da kam es ihm gerade recht, noch ein wenig mit den anderen die Winkel und Gassen von Stone Town zu erforschen, sich mit Leckereien vollzuschlagen und aus dem Hotel einen Blumentrieb mitgehen zu lassen, um zu Hause wenigstens ein pflanzliches Wesen zu kultivieren. Ein großer Vorteil war, dass die DTP-Freiwillige M. sich sehr gut in Stone Town auskannte, lag doch ihre Schule mitten in der Altstadt. So stiegen sie auf das Dach des Schulhauses, fanden kleine Imbissläden, an denen die Touristen meist vorbeigehen und genossen die Aussicht vom Balkon der Musikhochschule, vor deren Tür Arbeiter gerade eine neue Strandpromenade betonierten. Dann war es wieder Zeit, die Heimreise anzutreten. Eine gemeinsame Whatsapp-Gruppe war gegründet, Zukunftspläne gemacht. Müde und zufrieden stieg die Gruppe der Freiwilligen aus Dar wieder auf das Schiff. G. schaute sich eine Dokumentation über Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen an, während die Küste Sansibars langsam kleiner wurde. Er war unglaublich müde. Auf dem Infobildschirm lief der Film “Maze Runners”, allerdings ohne Ton, was die Freiwilligen zu einer phantasievollen Synchronfassung anregte, in der sich die Hauptdarsteller nicht zwischen Pizza und vietnamesischem Essen entscheiden konnten. Im Bus nach Magomeni stritten sich L. und G. noch mit einem lästigen Schaffner herum, der ihnen ein geringes Wechselgeld vorenthalten wollte. Es ging ums Prinzip. Nach Chapati mit sehr scharfem Mangosalat war der Tag zu Ende. G. hängte die Wäsche auf und ging schlafen.