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Wahltag

25.10.2015: Heute finden in Tansania Präsidentschaftswahlen statt. Erstmals seit der Unabhängigkeit hofft die Opposition darauf, den nächsten Präsidenten zu stellen. Dementsprechend herrschte und herrscht eine spannungsvolle Wahlkampfatmosphäre. Die politischen Lager gruppieren sich um die aktuelle Regierungspartei CCM (Chama Cha Mapinduzi / Partei der Veränderung) und das Oppositionsbündnis UKAWA mit der größten Oppositionspartei CHADEMA (Partei der Demokratie und des Fortschritts). Die CCM ist der Tradition nach sozialistisch, im Zentrum des Programms stehen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Fortschritt. Als Spitzenkandidaten stellt die CCM den ehemaligen Arbeitsminister John Magufuli als Nachfolger des Präsidenten Jakaya Kikwete, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten kann. Da die CCM als sehr korrupt gilt, steht im Wahlprogramm der CHADEMA die Korruptionsbekämpfung und die Ablösung der CCM im Vordergrund. Spitzenkandidat ist Edward Lowassa, der nach einem internen Machtkampf von der CCM zu CHADEMA gewechselt ist. Lowassa gilt allerdings ebenfalls als korrupt und trat 2008 wegen eines Korruptionsskandals als Premierminister aus dem Kabinett Kikwetes zurück.

Immer wieder finden Kundgebungen statt, in den letzten drei Tagen sind wir jeweils zufällig auf zwei Chadema-Demonstrationen gestoßen. Deren Anhänger scheinen angesichts einer möglichen Machtübernahme besonders engagiert für ihre Partei zu werben. Die derzeitige Regierungspartei CCM ist dagegen mit Plakaten deutlich stärker im Straßenbild vertreten. In den Medien ist die Wahl ein dominantes Thema, vor Fernsehbildschirmen in Läden und Restaurants versammeln sich zu den Ansprachen der Spitzenkandidaten zahlreiche Menschen. Im Privatleben werden die politischen Positionen ebenfalls offen vertreten. Allerdings zeigten sich einige Gesprächspartner auch verunsichert durch zahlreiche Gerüchte, die kursieren. So wird beispielsweise der CHADEMA vorgeworfen, im Falle ihres Siegs alle Nichtafrikaner aus Tansania vertreiben zu wollen, wie eine arabische Nachbarin im Gespräch besorgt berichtete.

Bereits gestern fiel in den Straßen die starke Polizei- und Militärpräsenz auf. Es herrscht vielerorts eine gewisse Unruhe, ob die unterlegene Partei ihre Niederlage akzeptieren wird. CHADEMA hat ihre Anhänger aufgerufen, in der Nähe der Wahllokale zu bleiben, um Wahlbetrug zu verhindern. Da es kein zentrales Wahlregister gibt, sind Mehrfachwahlen theoretisch durchführbar, sodass trotz des Einsatzes zahlreicher lokaler und europäischer Wahlbeobachter die Gefahr von Unregelmäßigkeiten besteht. Alle Gesprächspartner haben sich im Gespräch zuversichtlich gezeigt, dass es zu keinen nennenswerten Unruhen kommen wird, eine generelle Unsicherheit war dennoch zu spüren. Zahlreiche Geschäfte schlossen gestern früher.

Aufgrund der Sicherheitsempfehlungen der deutschen Botschaft und in Absprache mit unseren tansanischen Mentoren verbringen wir den Tag heute zu Hause und mit ausreichenden Vorräten. Bisher haben wir nichts ungewöhnliches bemerkt, außer einer Frau, die „People Power!“, den Slogan der CHADEMA rufend, an unserem Haus vorbeilief. Deshalb sind wir derzeit zuversichtlich, morgen wie geplant zur Arbeit gehen zu können, auch wenn bereits angekündigt wurde, dass das Fußballtraining am Abend wegen der Wahl ausfallen wird.

Nachtrag

Der kritische Tag wird wahrscheinlich erst der Mittwoch sein, da an diesem Tag die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen bekanntgegeben werden, während die Mitglieder des neuen Parlaments u.U. schon heute Abend feststehen. Aufgrund eines Gesprächs mit unserer Nachbarin vermute ich, dass CCM tendenziell von der Mittel- und Oberschicht sowie Staatsangestellten gewählt wird, während besonders Bewohner von sozial schwachen Gegenden auf CHADEMA setzen, da sie von einer CCM-Regierung keine Verbesserung der Lebensbedingungen und der Beschäftigungslage erwarten. Hierbei handelt es sich allerdings lediglich um Vermutungen, die empirisch nur schwach untermauert sind.

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Kundgebung von CHADEMA-Anhängern in Ilala
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Zeitungsstand
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Ein Sarg mit der Aufschrift „CCM“ wird von CHADEMA-Anhängern zu Grabe getragen.
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Blick aus unserem Innenhof über das Tor