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G.: Transit

Es war Montag, der 8. Februar 2016, als G. sich aufmachte, das Ghetto zu verlassen. Er stieg auf sein Fahrrad und fuhr immer nach Norden, bis die Häuser wieder größer wurden. Es roch nach Meer. Vor einem großen Tor hielt G. an. Der Wächter sagte ihm, dies sei der Segelclub. Menschen wie G. könnten hier Arbeit finden, denn die Schiffe hungerten nach jungen Menschen aus dem Ghetto, die sie putzten und ihren Besitzern Steaks brieten. G. willigte ein, denn er war des Fahrens müde geworden. Ein Mann kam herbei, der Gs. Sprache kannte und ihn anwies, ihm auf dem Schiff zur Hand zu gehen. Sie setzten sich in eine Nussschale aus Aluminium. Nach einer schier endlosen Reise kamen sie am Schiff des Mannes an. Woran dieser es erkannte, wusste G. nicht, denn in der schier unendlichen Masse der Plastikrümpfe hob es sich nicht merklich ab. Der Mann kletterte an Bord und bedeutete G., es ihm gleich zu tun. Dann zeigte er ihm seine Arbeit. Er würde ein Segel, das nicht vom Mast herabwollte, lösen müssen. G. sollte dazu die Winsch bedienen. Er warnte G.: Das Boot kommt heute nur noch einmal vorbei, wir müssen es bis dahin schaffen. G. kurbelte und kurbelte, doch das Segel wollte nicht herab. Erst als sich das Boot bereits näherte, hatten G. und der Mann das Segel auf dem Deck zusammengefaltet und mit einer Schnur zusammengebunden. Der Mann rief dem Bootsmann zu, anzulegen. Doch die Wellen waren stark. Das Boot stieß an das Schiff des Mannes. „Steigt ein!“, rief der Bootsführer. G. und der Mann zögerten, denn das Segel war groß. Und schon fuhr das Boot weiter. Der Mann legte sich in seine Koje und G. bettete sein Haupt auf dem zusammengerollten Segel. Es war eine wolkige Nacht mit viel Wind. Am Morgen fror es G. ein wenig. Das erste Boot hatte mehr Zeit. Auf dem Weg zurück in seine Gegend wurde G. wieder warm, denn er fuhr, so schnell er konnte. Niemand sollte sehen, dass er das Ghetto verlassen hatte. Auf der Arbeit erschien er gerade noch rechtzeitig. Warum er so abgehetzt sei? Er habe einen Platten gehabt. Das Stück Segeltuch, welches er aus dem Segelverein mitgenommen hatte, stopfte er ganz unten in das Arbeitsregal. Keinen Neid riskieren. Demnächst würde er eine neue Tasche haben.