N3+

G.: Ein richtiger Arbeitstag

Montag, der 18. Januar 2016

G. mag es, wenn es dunkel ist. Wenn es dunkel ist, klingelt sein Wecker noch nicht. Manchmal klingelt der Wecker auch im Dunkeln. So wie an diesem Montag. Immerhin war G. vorgewarnt. Bereits um viertel vor sechs hatte er D. und L. das Haus verlassen hören, die für den Kilimanjaro-Marathon trainieren. G. tut das auch, aber erst ab sieben auf der Wache. Also aufstehen, duschen, hoffen, dass das Wasser reicht. Tasche packen. Die Antidiebstahltasche hat sich bisher bewährt, denn sie ist noch da. Allerdings kämpft sie als Prototyp mit diversen Mängeln, sodass sich G. freute, als er auf der Wache ankam, ohne dass sein Arm gänzlich eingeschlafen war (das Schultergurtpolster ist zu dünn) oder die Tasche ihren Inhalt auf der Straße verstreut hatte (Die Nähte sind teilweise von sparsamer Qualität).

Das morgendliche Lauftraining absolvierte G. wie jeden Tag. Anschließend hatte S., der bei Freunden übernachtet hatte, schon Frühstück beschafft und G. hatte an die Nutella gedacht. Nutella: Sie gehört wie Cola und Müsli in den Vorratsschrank jedes Expats, der ein wenig auf sich hält. Warum, weiß G. nicht,da er in Deutschland eigentlich kein riesiger Nutella-Fan ist. Aber er weiß einfach, dass ein Wrap aus einem noch warmen Chapati, einer Banane und ausreichend viel Nutella einfach eine Basiszutat eines gelungenen Morgens ist. Dann wartete immer noch die Anfrage um Material an das Innenministerium, doch heute war endlich jemand da, mit dem man den Inhalt besprechen konnte. Das ging auch konstruktiv voran, nur um die Tatsache, dass dieser Verantwortliche gerne im Rahmen der Anfrage einen Dienstcomputer für sich zu Hause im Wert von ca. 700€ beantragen wollte, sorgte für eine kurze Diskussion. Letztendlich einigten sie sich darauf, dass G. sich bemühen würde, anderweitig einen Rechner zu beschaffen. Dann schrieb G. noch ein paar private E-mails, die schon lange auf Antwort gewartet hatten. Es störte ihn ein wenig, dass einer der Feuerwehrlehrlinge, der ein Tölpel ist, wie er im Buche steht, hinter G. stand und versuchte, seine Mail an A., eine kanadische Freundin, mitzulesen. Auf die Frage, warum er denn das Fenster geschlossen habe, meinte G. etwas unwirsch, er müsse im Antragsdokument noch etwas nachschauen. Dann wartete Abwechslung, denn G. durfte eine Lasche an den Landcruiser der Feuerwache Temeke anschweißen. Dies gelang ihm auch mit der einzigen, feuchten und abgeschlagenen Elektrode, die auf der Wache zu finden war. Dann schrieb G. an seinem Bericht weiter, während alles dafür vorbereitet wurde, ein Leck im großen Tanklöschfahrzeug zu schweißen. Dieses zerfällt langsam. Wegen gerissener Schweißnähte läuft auch der Schaumtank immer voll Wasser, was nicht allzu schlimm ist, da der Schaum immer in separaten Kanistern mitgeführt wird. Insgesamt nimmt die Verwindungssteifigkeit des Tanks aber mit jedem Riss ab. G. hat alles fotografiert und bereitet zur Zeit eine Beschwerde an den deutschen Hersteller vor, der offenbar nicht in der Lage war, ein Fahrzeug zu bauen, das elf Jahre lang ca. zweimal in der Woche tansanischen Straßenverhältnissen standhält.

Dann musste noch einer der Mechaniker den Chef der Wache, M., um Geld fragen, um Schweißdraht kaufen zu können. Dieser spendierte großzügig den Draht, mit herablassender Geste und keinesfalls so, als ob sein Job davon abhinge, dass die Wache funktioniert. Der Wachleiter ist ohnehin der größte Arsch am Platz, wie G. meint. Er hat, wie allen Angestellten bekannt ist, keinerlei Ahnung von irgendwelcher Feuerwehrarbeit. Er behandelt seine Untergebenen von oben herab beziehungsweise er ignoriert sie, da er ohnehin die meiste Zeit im Büro sitzt oder mit seinen Assistenten, die ihm zuhören müssen, plaudert. Das hat den Vorteil, dass man ihn die meiste Zeit auch ignorieren kann. Nur wenn man Geld oder Zustimmung für irgendein Projekt braucht, muss man leider mit ihm reden. G. verzichtet dabei vorsichtshalber auf die übliche Höflichkeitsfloskel für Vorgesetzte und bemüht sich, so zu wirken, als würde sein Kiswahili dafür nicht ausreichen. Na ja, die freundschaftliche Basis ist eher schmal, aber man kommt miteinander aus. So mächtig ist M. auch wieder nicht und in den meisten wichtigen Fällen kann man ihn umgehen.

Zurück zum Fall: Irgendwann war der Schweißdraht da und G. durfte sich im Autogenschweißen beweisen, das er während der Ausbildung ungefähr zweimal geübt hatte. Anschließend bügelte ein anderer Mechaniker die gröbsten Schnitzer in der Schweißnaht aus. G. hatte trotzdem das Gefühl, an diesem Tag wieder einmal nützlich zu sein. Kurz vor Feierabend fragte dann noch C., ob G. den Feuerwehrleuten zeigen könne, wie man mit einem Trennschweißer Metallteile zerlegt. G. freute sich, denn es war wieder Aufbruchsstimmung, etwas, das er in den letzten Wochen oft vermisst hatte. Er hatte sich manchmal gefragt, wo denn der Hubschrauber blieb, der auf dem Sportplatz landen und ihn zum Flughafen fliegen würde. Von dort wären es nur zwölf Stunden bis nach Hause. Nur für einen Schneeengel und eine Tasse Tee am Kamin. Aber jetzt war wieder Wind in den Segeln. G. schrieb eine Nachricht an So., ob sie sich zum Abendessen treffen wollten. G. wollte mal wieder plaudern. So. antwortete nicht. Das war nicht so schlimm, denn es gab Spaghetti und niveaulose Youtube-Videos. Handwerker. Und Jungs-WG.