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G. in der Kirche

8. November: G. war mit seinen Kollegen auf dem Anfangsseminar. Sie haben ihre Mitfreiwilligen von einer anderen Organisation kennengelernt und Kontakte zur Feuerwehr im Dogodogo-Center geknüpft. Abgesehen davon haben sie sehr gut gegessen, da das Seminar im Restaurant der Frau des Teamleiters stattfand. Ein, zwei interessante Informationen gab es auch. Beispielsweise, dass es klug ist, an Straßen immer entgegen der Fahrtrichtung zu laufen, damit einem sein Besitz nicht so leicht von einem Fahrzeug aus weggerissen werden kann. Da braucht man G. aber nichts zu erzählen, denn im Bereich Tarnung und Taktik ist er ohnehin unschlagbar. Wie hätte sein Smartphone, das ungefähr vier durchschnittliche Monatslöhne kostet, es sonst überleben können, dass er es zusammen mit seiner Einsatzhose irgendwo auf der Wache zum Trocknen aufgehängt hat? Manchmal haben die Dummen eben Glück. Auf dem Rückweg haben G. und seine Kollegen Obst eingekauft.

Dann ist er etwas früher als die anderen ausgestiegen, weil er direkt nach Magomeni zurückwollte, während S. noch sein Fahrrad in Ilala abholen musste. Als er an der riesigen Rohbaukirche an der Kreuzung von Kawawa Road und Morogoro Road vorbeikam, überfiel G. der unbändige Drang, die Wachleute im Häuschen zu fragen, ob er die Kirche besichtigen könne. Sie führten ihn ins Pfarrbüro, wo sich G. eine ganze Riege an Kirchenleuten, bestehend aus Pfarrsekretär, Priesteranwärter, Mesner und Fahrer vorstellte. Alle zeigten sich sehr wohlwollend gegenüber G. und schickten gleich jemanden zum Pfarrer, um ihn wegen der Fotoerlaubnis zu fragen (G. hatte sich derweil als Architekturstudent vorgestellt, zudem war ihm seine christliche Herkunft nützlich, denn trotz unterschiedlicher Konfessionen ist Glauben ein ganz solider Club mit gegenseitiger Vertrauensbasis, denn wer dem Anderen Schlechtes tut, wird zum Gemeinschaftstarif bestraft).

Dann führte der Pfarrsekretär G. durch das ganze Gebäude und ließ ihn ausgiebig fotografieren. Kurz vor Ende der Führung gab es einen Platzregen, wie ihn G. in seiner Art bisher nur hier erlebt hat. Innerhalb von dreißig Sekunden setzte ein Regenguss ein, der alles, das in seine Nähe kommt, mit großer Wucht völlig durchnässt. G. und der Sekretär stellten sich unter und warteten. G. erfuhr, dass das neue Gebäude umgerechnet eine Million Euro kostet, die durch Spenden der Gläubigen aufgebracht wurden. Angesichts der Einkommensverhältnisse in diesem Viertel war G. sehr beeindruckt von dem Kraftakt. Es ist etwas, das G. an Religionen gut gefällt. Durch Glauben und verschiedene Kodizes werden von den Gemeinden große Kräfte und Mittel mobilisiert. Wenn sie nicht gerade für die neue Residenz eines Bischofs draufgehen oder man zu Waffen greift, um Andersgläubige zu bekämpfen, hat das Engagement der Gläubigen ein großes Potential für die Gesellschaft. In Bezug auf Andersgläubige zeigt sich Gs. Lebenswelt hier in der Tat sehr offen. Das Zusammenleben von Christen und Muslimen ist in Dar Es Salaam, soweit er es erlebt hat, kein Konfliktpunkt. Gs. muslimische Arbeitskollegen haben jedenfalls sehr gelacht, als er auf ihren scherzhaften Gruß „Salam Aleikum“ mit „Wa Aleikumu Salam“ antwortete. Auch der Gemeindesekretär bezeichnete, auf die Moschee gegenüber angesprochen, die Muslime als Brüder, die es zu achten gelte.

Als der Regen etwas nachließ, gingen G. und der Sekretär zum Büro zurück. G. nahm seinen Rucksack und seine Früchte und ging durch den Nieselregen nach Hause.