G. ist um zwanzig vor sieben Uhr aufgestanden. Er hat sich pflichtbewusst von seiner Familie verabschiedet und war erstaunt, wie wenig man sich am Ende eigentlich zu sagen hat. Flughafen Nürnberg: G. verabschiedet sich von seinen Freunden. Wenn er auf eine große Reise geht, hat G. immer ein wenig das Gefühl, einen Tunnel zu betreten, in dem die Zeit auf Augenblicke schrumpft und sich gleichzeitig aufbläht auf mehrfache Länge. Dazu passend dann der Film Interstellar auf dem Flug von Istanbul nach Dar es Salaam. G. ist sich nicht sicher, ob die Special Forces-Atmosphäre, die der Film verbreitet, gut für die Vorbereitung auf die Zeit in Tansania ist. Es geht wohl eher darum, das Bild des westlichen Eliteschülers abzulegen und zu akzeptieren, dass man manchmal einfach nur ein Mensch unter vielen ist, und niemand, der andere beiseite schiebt, um ein freies Schussfeld für seinen Missile Lauscher zu bekommen. Nach Stunden des Sitzens ist G. froh, ein bisschen im Mittelgang herumzustehen und mit der Besatzung zu quatschen. Außerdem ist es nicht schlecht, wenn man, gerade für ein Jahr aufgebrochen, etwas mit Menschen macht, um das weggefallene soziale Umfeld zu kompensieren. Der Mond liegt waagerecht auf dem Horizont, das Flugzeug überquert bald den Äquator. G. schreibt seinen Nachruf zu Ende, dann beginnt der Landeanflug auf Dar es Salaam. Aus der Schwärze tauchen Lichter auf, die sich immer mehr verdichten, irgendwann werden die einzelnen Häuser sichtbar, der Sicherheitszaun um den Flughafen und sie setzen auf der Landebahn auf. Herzlich verabschieden sich G. und seine Kollegen von der Besatzung, die Facebook-Namen sind ausgetauscht, man wünscht sich eine gute Nacht. Visa-Antrag, Gepäckscan. G. ist der erste an der Ausgangstür. Es ist warm und dunkel. Es ist der erste Moment, in dem G. bewusst wird, dass er in eine neue Welt aufgebrochen ist. Er steht in der Tür, zwei Koffer, Rucksack, westliche Kleidung. Auf der anderen Seite des Zauns Taxifahrer, Reiseführer. G. kämpft gegen ein Gefühl von Verlorenheit an. Eine Gruppe kommt auf ihn zu und G. erkennt Moses, den Mechaniker der Feuerwehr. Die Ankömmlinge werden vom Empfangskomitee herzlich begrüßt. Das Gepäck wird auf zwei Autos verteilt, G. nimmt in einem Feuerwehrtransporter Platz. Durch die nächtlichen Straßen geht es zur Wohnung der Krankenhausfreiwilligen. Leere, breite Straßen ziehen vorbei. G. ist aufgeregt und müde. Um 5 Uhr trinkt er mit Daniel, seinem Mentor, einen Tee und sie schauen auf die Dächer der Stadt, über denen der Himmel immer heller wird. Dann schläft G. auf einer Matratze ein. Er und S. werden noch ein paar Tage hierbleiben, bevor sie ihr Haus in Magomeni beziehen.