Unsere Generation ist mobil und individualistisch. Schulzeit in Deutschland, Studium in den Niederlanden und Doktorarbeit in den USA – keine Schwierigkeit. Wir wissen, wie man sich in dieser Welt bewegt, welche Legitimationen man braucht, wie man sich am anderen Ende des Planeten ein Taxi ruft und wo auf dem Globus es Probleme mit welchen Apps gibt. In den schmuddelig kalt glänzenden Abflughallen und auf den Empfängen für die junge Elite, auf denen die Brosamen an Karrierechancen und Futures auf Ansehen und Sozialprestige verteilt werden, treffen wir auf die Gleichgesinnten: Flexibel, angespannt entspannt und stählern optimistisch. Wir sind alle Freunde, aber wir wissen, dass es ein paar weniger Plätze im Boot gibt als Anwärter. Uns würde es nie einfallen, jemand offensichtlich ein Bein zu stellen, das erledigt das Gesamtsystem schon rechtzeitig. Prüfungen nicht bestanden oder Streit mit einer einflussreichen Figur? Beileidsbekundung, moderate Kritik an der Unfairness des Systems, dann geht es weiter, das Tor zur nächsten Stufe steht nicht ewig offen. Und in einem müden Moment, eine Spotify-Playlist mit Liedern im Ohr, die von Geborgenheit und Liebe erzählen, schaue ich auf das Rollfeld eines großen Flughafens, wo sich lange Schlangen von Frachtcontainern aus Aluminium stauen und darauf warten, verladen zu werden. Ich denke mir, dass wir manchmal große Ähnlichkeiten mit diesen Behältern haben. Nach klaren Normen gefertigt, eine Kante abgeschrägt, damit wir in den Standardrumpf eines Mittelstreckenflugzeugs passen, denn es soll keine Konflikte geben beim Verladen. Unsere Aufgabe: Wohlbehalten Dinge, die nicht uns gehören und die wir uns nicht aussuchen, von einem Ort an den anderen zu bringen. Unsere Schrammen und Kratzer tragen wir mit Stolz, denn sie erzählen, wo wir überall waren und was wir alles gesehen haben. Doch wehe, es werden strukturelle Ermüdungen festgestellt, dann folgt die Ausmusterung sofort. Niemand kann das Risiko eingehen, auf garantierte volle Belastbarkeit zu verzichten, nicht bei Frachtcontainern, nicht bei Angestellten. Und so folgen wir dem Strom der Transportbänder. Führungskompetenz wird in kleinen Portionen vermittelt, niemand soll sich erheben über die anderen und doch gewinnmaximierend sein Team im Sandkasten von Quartalszielen anführen, die angeblich gar nicht so wichtig sind. Doch wie der Container, an dessen Gerüst Risse entdeckt wurden, nach kurzer Zeit nicht mehr gesehen wurde, wird es still in den LinkedIn-Profilen der Leute, die nicht durchgestartet sind und deren Vita nicht strotzt von Projekten, Internships und Preis für den Innovator der Woche in ihrem ersten Job in einem großen Unternehmen. Man müsste schon etwas tiefer graben, um sie wiederzufinden, eine Wertschätzung zu entwickeln für ihren Pfad abseits der Anerkennung durch IELTS, Green Cards und Zugang zur Star-Alliance-Lounge. Doch das ist gar nicht so einfach. Der nächste Start ist heute vorverlegt, der Frachtcontainer muss noch fertiggepackt werden, kurzes Nicken nach drüben zur Konkurrenz, die auch schon am Beladen ist, dann geht es wieder los.