Westliche Immigranten in Tansania
jl, Dar es Salaam
Tansania ist ein Einwanderungsland, ein Vielvölkerstaat. Kongolesen, Jemeniten, Ugander und eben auch: Europäer. Bei der Integration dieser Menschen, die alle in dem ostafrikanischen Staat leben und arbeiten, geht es freilich nicht immer konfliktfrei zu, die Rede ist immer wieder von ungeregelten Formalitäten, Gesetzesbrüchen und Integrationsproblemen, die zur räumlichen Segregation der Einwanderergruppen führen. Ein Augenschein vor Ort zeigt, dass besonders europäische Einwanderer große Schwierigkeiten haben, sich in Tansania zu integrieren und vor Ort eine Lebensgrundlage aufzubauen. Bei einem Besuch im Stadtteil Masaki, der für seine Dichte an europäischen und nordamerikanischen Einwohnern berüchtigt ist, sehen wir: Es wird nicht übertrieben, wenn Lokalpolitiker und Polizisten von Ghettobildung sprechen. Um 23 Uhr sind am Wochenende die Immigranten in der Gegend um das Double Tree Hotel in der Regel unter sich. Mit der Zeit gelingt es unserem Team, ein wenig Zugang zu gewinnen zu den in den auf edel getrimmten Kneipen und den schummrigen Clubs herumlungernden Einwanderern, die hier vor einem oft tristen Arbeitsalltag Zuflucht suchen. Vor einem Restaurant treffen wir einen Mann, Mitte vierzig, der aus Furcht vor Konflikten mit seinem Umfeld seinen Namen nicht nennen möchte. Er wohnt nach eigenen Angaben schon drei Jahre in Dar es Salaam. Auf unsere Nachfrage, wie es ihm in der Stadt gehe, antwortet er leise, er habe Masaki noch nie verlassen. Arbeit hat er bei einer NGO gefunden, einer sogenannten Nichtregierungsorganisation. Diese im internationalen Ermittlerjargon auch als Banden bezeichneten Zusammenschlüsse operieren auch in Tansania mit dem Ziel, Wirtschaftsmigranten verdeckt Alimente von Familienmitgliedern oder Bandenchefs aus der Heimat zukommen zu lassen. Zahlreiche NGOs tarnen sich mit einem scheinbar gemeinnützigen Zweck, der in vielen Fällen allerdings darauf ausgelegt ist, das staatliche System des Ziellandes zu unterhöhlen und für weitere Aktivitäten des Mutterkartells vorzubereiten. Auch seine Organisation sei in diesen Sumpf aus Korruption und Vorteilsnahme involviert, gibt unser Gesprächspartner, nennen wir ihn Fred, widerwillig zu. Bei Treffen mit Politikern, die als Beratungen deklariert würden, flössen oft sogenannte Tagungsgelder, für die im Gegenzug Aufträge und andere Vorteile gewährt würden. Die Straßen leeren sich, wir brechen auf. Nachts gelten die verlassenen Alleen des Viertels als unsicher. Obwohl überall Sicherheitspersonal postiert ist, kommt es regelmäßig zu schweren Straftaten. Der Ghettocharakter lässt das Viertel eben nicht los. Im gepanzerten Geländewagen erreichen wir sicher das Hotel.
Ein weiteres Problem der westlichen Immigranten zeigte sich nach der Amtsübernahme der neuen Regierung unter Präsident John Pombe Magufuli, die mit dem Schlendrian vieler Behörden gegenüber Einwanderern aufräumen will. Zahlreiche der zumeist weißen Einwanderer verfügen nämlich weder über eine Arbeitserlaubnis in ihrem Beruf noch über eine gültige Aufenthaltsberechtigung. Ein anonymer Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde, den wir in Dar es Salaam treffen konnten, meinte dazu, dass es eben immer wieder vorgekommen sei, dass Ausländer positiv diskriminiert würden, um ihnen die Integration zu erleichtern. Auch bei der Strafverfolgung schauten Behörden oft weg, kritisiert unser Informant. Doch dieses Tabu müsse ein Ende haben. Auch Einwanderer hätten sich den Maßstäben eines Rechtsstaates zu stellen. Zumal es sich zeigt, dass in vielen Fällen der kulante Umgang mit den Immigranten zu schweren Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führt und sich zahlreiche Wazungu, wie die westlichen Einwanderer auch genannt werden, trotz großen Entgegenkommens gar nicht integrieren wollen. In Tansania wird Einwanderung insbesondere von als „Freiwilligen“ deklarierten unterbezahlten Hilfsarbeitskräften zumeist unter der Auflage der Arbeitsmarktneutralität gewährt. Doch der Besuch in einem Jugendzentrum im Stadtteil Ubungo zeigt, dass dies oft umgangen wird. Eine junge Deutsche, die lediglich die Schule abgeschlossen hat und über keine weitere Ausbildung verfügt, gibt Kindern Musikunterricht. Die Leiterin des Zentrums erzählt im Gespräch, dass Unternehmer und Betreiber von öffentlichen Einrichtungen oft keine Wahl gelassen würde, da die Aufnahme von Freiwilligen politisch zu stark fehlgefördert sei, um dagegen Maßnahmen zu unternehmen. Selbstverständlich gäbe es geeignetere Kandidatinnen und Kandidaten für die Stelle, doch den Europäern und Nordamerikanern würden auch ohne Qualifikationen Stellen angeboten, auf die normale Tansanier jahrelang warten müssten. Immerhin sei sie motiviert und bemüht, die Sprache zu lernen, meint die Leiterin über die Deutsche. Zum Ende unseres Aufenthalts gelingt es uns, Zugang zu einer Einwanderergruppe zu erhalten, die nicht im Ghetto von Masaki haust, sondern eine Bleibe in einem mehrheitlich von Tansaniern bewohnten Viertel gefunden hat.
Als wir am Tor eines kleinen Hauses in Magomeni klopfen, nähern sich Schritte, ein weißes Gesicht starrt misstrauisch durch den Türspalt. Bereits in den ersten Minuten des Gesprächs wird klar, dass die Einwanderer trotz ihrer Wohnung außerhalb des Ghettos kaum in Kontakt mit ihrer Umwelt treten. Grund: Fehlende Sprachkenntnisse und Fremdheitsgefühle. Am Wochenende verbringen sie ihre Zeit lieber mit Landsleuten, tansanische Freunde haben sie wenige. Der Besitzer des lokalen Lebensmittelgeschäfts, mit dem wir nach dem bedrückenden Besuch ins Gespräch kommen, hält im Prinzip viel auf Einwanderer. Sie seien eine Bereicherung für die Kultur, in Tansania sei jeder willkommen. Bei den drei deutschen Männern, die auf der anderen Straßenseite einquartiert wurden, sieht er allerdings große Probleme. Gerade einer von ihnen könne ausreichend Kiswahili, um mit ihm ein geordnetes Gespräch zu führen und das, obwohl den Einwanderern Sprachkurse ermöglicht würden und sie Mentoren zur Integrationshilfe hätten. Vor einigen Monaten habe noch eine deutsche Frau in dem Haus gewohnt. Sie habe perfekt Kiswahili gesprochen und sich der lokalen Kultur angepasst, regelmäßig saß sie im kleinen Imbiss um die Ecke, im Gespräch mit Anwohnern. Doch dass solche Fälle der geglückten Integration Ausnahmen seien, kann auch die Chefin des lokalen Polizeipostens bestätigen, der neben dem Lebensmittelgeschäft liegt. Letzte Woche hätte sich beispielsweise gezeigt, dass es hinsichtlich der Müllentsorgung bei den Immigranten noch sehr hapere. Der Abfall von drei Monaten habe in unterschiedlichen Verfallsstadien in deren Hof herumgelegen, bis die drei Männer ihn auf Bitten der Nachbarn hin entsorgt hätten. Der Geruch hätte die drei Deutschen offenbar nicht gestört, sie seien den Schmutz wahrscheinlich schon aus ihrem Herkunftsland gewöhnt. Dass man hier seine Müllentsorgung organisieren muss und dafür einen Dienstleister benötigt, sei an den Männern völlig vorbeigegangen. In der ersten Zeit hätten sie ihren Abfall einfach vor die Tür gestellt. Wahrscheinlich mache man das in Deutschland so, erklärt die resolute Beamtin. Man habe nachbarschaftlich geholfen, doch irgendwann habe jede Geduld ein Ende. Doch das die Männer den Abfall einfach horten würden, habe sie nicht erwartet. Ihnen stünde noch ein langer Integrationsprozess bevor. Freundlich grüßen genüge auf Dauer nicht. Auch die Deutschen hätten erst nach mehreren Monaten gültige Papiere besessen, obwohl sie bereits in verschiedenen öffentlichen Behörden arbeiteten. Das läge an der positiven Diskriminierung der weißen Ausländer, die den Tansaniern die Arbeit wegnähmen. Auf unseren Einwand, auch die drei Immigranten aus dem Viertel blieben wohl nur für ein Jahr, reagiert die Polizistin unwirsch. Manche verlängerten ihren Aufenthalt, dann tauchten wieder aus dem nichts dubiose „Freunde“ der Immigranten auf, die aus- und eingingen, mit wer weiß was für Geschäften. Viele kämen zudem nach ihrem Erstaufenthalt zurück, das Problem bliebe also oft länger als für den nominal vereinbarten Zeitraum bestehen.
Wohl sei ihr bei der ganzen Sache nicht. Wer könne schon ahnen, ob man mit den ganzen Arbeitsmigranten nicht auch Kriminelle und Terroristen anzöge. Dass zwei der Deutschen häufig fotografierten, könne bereits ein Indiz für ihre Ausforschung von möglichen Tatorten sein, da sie ja bekanntermaßen mit großen Kartellen in ihrem Heimatland zusammenarbeiteten. Das Vorgehen gegen diese Banden sei allerdings schwer, räumt die Polizistin ein. Doch es sei wichtig, sich mit der Gefahr auseinanderzusetzen, selbst wenn es offenkundig die Regierung noch nicht ausreichend tue. „Wir werden jedenfalls wachsam bleiben“, verabschiedet sich die Beamtin bei uns.
Lieber Jakob,
diese Deine Reportage finde ich hoch interessant. Allerdings war ich zwischenzeitlich unsicher, ob sie nicht als Persiflage gemeint ist. Besonders spannend fand ich das Thema Müll. Und die Frage der Integrationsbereitschaft. Da mangelt es uns Deutschen ja auch im eigenen Land. Aber es ist schwierig dazu etwas zu sagen, wenn man wie ich kaum Kontaktmöglichkeiten hat. Aber das versuche ich gerade zu ändern. Ich habe jetzt Kontakt zur Flüchtlingshilfe in Hersbruck aufgenommen.
Den Begriff positive Diskriminierung hab ich früher höchstens im Zusammenhang mit Juden gehört. Spielt da auch Korruption eine Rolle?
We geht es Dir denn mit der Landessprache? Kannst Du Dich schon gut verständigen mit den Kollegen?
Oder hattest Du vorher sowieso schon super Suaheli gelernt?
Ich wünsche Dir alles Gute und viele schöne Erfahrungen!!!
Herzlich Omama
PS: Deine anderen Beiträge hab ich natürlich auch sehr interessiert gelesen.
Allerdings würde mir das Lesen leichter fallen, wenn Du großzügiger mit Absätzen wärst.
Danke für den Kommentar!
Ja, die Reportage war als Persiflage gemeint. Es tut mir leid, wenn das nicht ausreichend klar wurde. Ich werde eventuell den Text noch einmal überarbeiten, denn bestimmte Aspekte sind noch nicht genug ausgearbeitet. Die meisten Weißen leben in einer völligen Parallelwelt, allerdings keiner, in der Armut und Kriminalität herrschen. Denn diese findet auf den Straßen vor ihren hochbewehrten Grundstücken statt, sodass es sie nicht kümmern muss. Unser Freiwilligendienst findet unter der Prämisse der Arbeitsmarkt-Neutralität statt, aber diese wird in vielen Fällen verletzt, wenn eigentlich völlig unqualifiziertes Personal auf Posten eingesetzt wird, die auch gut von Einheimischen ausgefüllt werden könnten. Ich bin der eine Ausländer von den drei, der sich ausreichend verständigen kann. Das Müllproblem gab es auch, war aber ein wenig anders gelagert als beschrieben. Und im Viertel werden wir, glaube und hoffe ich, nicht so negativ gesehen wie in der Reportage. Ich habe mir die „Reportage“ als Beitrag gedacht, der nachschaut, wie sich eigentlich Deutsche im Ausland integrieren, wenn in den Feindbildern der Gesellschaft so häufig von schlecht integrierten Einwanderern besonders aus muslimischen Ländern gesprochen wird. Sie starten zumeist aus weit schlechteren Bedingungen als wir in dieser Kultur, wenn sie versuchen, sich zu integrieren. Und wenn man sich die Integration vieler Deutscher hier in Tansania ansieht, möchte man ihnen danken, dass sie sich so bemühen. Gute Vorbilder haben sie in den Bürgern ihres neuen Heimatlandes jedenfalls nicht.