G.: Dar Es Salaam in drei Tönen

Als G. am Montag von seiner Arbeit zurückkehrte, dachte er nach. Es war der Beginn der dritten Arbeitswoche. Was gab es Neues für ihn in Dar Es Salaam. G. musste ein wenig überlegen. Ja, dachte er, es sind Geräusche. Geräusche, die er noch nicht gekannt hatte, als er aufgebrochen war. Als erstes fiel ihm der Soundtrack der Straßenverkäufer ein. Er ist etwas schwer zu beschreiben. Die Verkäufer machen mit ihren Lippen eine Art schmatzendes Zirpen, ähnlich, wie wenn man eine Katze lockt, das G. bereits nach wenigen Tagen furchtbar auf die Nerven ging. Ein wenig wie Werbung, die Aufmerksamkeit, aber keine Sympathie erweckt. Dennoch gehören die Straßenverkäufer und ihr Schnurpsen unweigerlich zu Gs. neuer Welt, ohne sie wäre Dar Es Salaam für G. nicht Dar Es Salaam. Werden sie verbannt, entstehen unweigerlich die kalt und steril wirkenden westlichen Einkaufszentren, in denen ein Espresso das zehnfache des Straßenpreises kostet.

Ein weiteres Geräusch, mit dem G. sich mit der Zeit angefreundet hat, ist der Gesang des Muezzin ab fünf Uhr morgens von der Moschee um die Ecke her. Eine geschätzte Mehrheit der Bevölkerung von Dar Es Salaam sind Muslime, was bedeutet, dass der Ruf zum Gebet in fast jedem Viertel gleich laut erschallt. Allerdings kann man unterschiedlich gut damit leben, denn die Qualität der Lautsprechersysteme unterscheiden sich unter den Moscheen stark. Die Qualität steigt von schlafraubender Kakophonie bis hin zu Gesängen an, die an gregorianische Choräle heranreichen und bei G. ein Gefühl von Geborgenheit und Ewigkeit hervorrufen.

Auch wenn in Dar Es Salaam fast überall und immer Menschen sind, haben sie die Natur nicht aus der Stadt vertreiben können. Wenn man abends nach einem Regenguss auf einer unbefestigten Straße läuft, kann man aus vielen Pfützen ein lautes Froschkonzert hören und vergisst für einen Moment, dass man sich in einer Fünf-Millionen-Stadt befindet, die so rasch wächst, dass kaum jemand die Namen aller Viertel kennt.

So bilden Dar Es Salaams Geräusche eine Kulisse, die das Stadtbild, das inhomogener kaum sein könnte, mit einem Klangteppich untermalt. Als diese Zeilen geschrieben werden, sitzt G. auf dem Sofa, über ihm dröhnt monoton der Ventilator. Sein pulsierendes Wummern-Heulen wird G. begleiten, bis er aufsteht, die Zähne putzt, sein Moskitonetz zurechtzupft und nach einem zufriedenen Gähnen einschläft.

Ein Gedanke zu „G.: Dar Es Salaam in drei Tönen“

  1. Lieber Jakob,
    danke für Deinen Blog. Ich schau immer mal nach, ob es was Neues gibt. Deine Beschreibung der Stadtgeräusche mit Fröschen fand ich spannend. Bin gespannt, ob Du auch von Deiner Arbeit als „Blechbatscher“ zu berichten hast.
    Ich wünsche Dir alles Gute!

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