G.: Wir sitzen im Bunker

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Livebericht aus Dar es Salaam

Mittagszeit auf der Feuerwache. G. und S. waren den ganzen Vormittag damit beschäftigt gewesen, für die befürchteten Unruhen und Anschläge nach der Präsidentschaftswahl Strategien zu erstellen und Rettungsmaterial zusammenzusuchen. Nun saßen sie mit den Technikern im Bunker und aßen Pommes. Immer wieder heulten draußen Kampfjets über die Stadt hinweg. Ausnahmezustand. Auf den Kreuzungen Polizisten mit Maschinenpistolen und Tränengaswerfern. Beamte des Innenministeriums waren den Tag über damit zu Gange, die Feuerwehr auf Einsatzbereitschaft zu überprüfen. Ein fehlbarer Offizier wurde degradiert. Das war der vierte Arbeitstag in Dar es Salaam, Tansania.

Nee, im Ernst: So krass ist es wirklich nicht. Aber man könnte es so schreiben, um seinen Lesern ein Bild vom chaotischen, gewalttätigen Afrika zu vermitteln. Tatsächlich haben sich beide Kandidaten zum Sieger der Präsidentschaftswahlen zum Sieger erklärt und in der Tat wurden zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen festgestellt. Und alle unsere tansanischen Kollegen und Gesprächspartner haben sich angespannt gezeigt ob der aktuellen Situation. In der Feuerwache bekommt man diese Anspannung auch von staatlicher Seite relativ stark zu spüren. Es war heute wirklich eine Kommission des Innenministeriums auf der Feuerwache, um die Einsatzbereitschaft zu prüfen. Da die Beamten aber alle militärische Ränge hatten und kaum Sachverstand in Feuerwehrfragen aufwiesen, schien mir die Inspektion mehr als politisches Manöver der Rückversicherung der Regierungspartei, auf ihre Behörden zählen zu können. Bei der geplanten Vereidigung des Präsidenten nächste Woche am Freitag und in der Zeit davor ist die Gefahr von Ausschreitungen und Anschlägen in der Tat höher als sonst, sodass die Feuerwehr tatsächlich Pläne für diese Situation aufstellt. Dass Kampfjets über Dar es Salaam hinwegfliegen, ist ebenfalls wahr. Nachdem dies nach meinen Erkenntnissen nicht zum Alltag gehört, vermute ich dahinter eher eine Bereitschaftsdemonstration der Armee gegenüber der Opposition. Es sind dieser Tage häufig schwer bewaffnete Polizisten im Straßenbild zu sehen, u.a. auch bei unserem Einsatz vor zwei Tagen. Allerdings ist ihre Anzahl gering im Verhältnis zu den fünf Millionen Menschen, die in Dar es Salaam wohnen und ich kann auch nur schwer beurteilen, ob z.B. bei Feuerwehreinsätzen dieser Sicherheitsstandard nicht zur Norm gehört, da es früher immer wieder zu Steinwürfen und Ausfälligkeiten gegen Rettungskräfte kam, denen zu lange Anfahrtszeiten vorgeworfen wurden. Der „Bunker“ ist unsere Werkstatt, die nur ein Fenster, dafür aber eine Klimaanlage besitzt. Wenn man beim Mittagessen sitzt und draußen Kampfflugzeuge heulen hört, ist das für unsere Friedensgeneration trotzdem ein etwas fremdes Gefühl. Degradierungen gab es heute, soweit ich weiß, keine. Ein Offizier wurde bestraft, weil er seine Uniform verliehen hatte. Insgesamt herrscht dennoch eine Atmosphäre der Normalität und die deutsche Botschaft hat anlässlich des Volkstrauertages zum Frühstück eingeladen, lediglich das Kino für heute Abend im Goethe-Institut wurde abgesagt. Alle Geschäfte haben geöffnet und vor der Wache wird der Wasserrohrbruch repariert. Die Arbeiten am neuen Control Room im Obergeschoss der Wache gehen voran und die Handwerker haben mir einen Pinsel zum Bemalen der Boote versprochen.

Heute war wirklich G.s vierter Arbeitstag. Mittlerweile weiß er mehr Namen als am Anfang und hat zum ersten Mal beim morgendlichen Fußballtraining der Rekruten mitgemacht. Zusammen mit S. hat er einen Halterungskasten für Schläuche angepasst für das Tankfahrzeug, welches das Rückgrat der Brandbekämpfung bildet, da in vielen Vierteln kaum Löschwasser verfügbar ist. Seit einigen Tagen ist der Tank allerdings leck, sodass nun dringend nach einem weiteren Standby-Fahrzeug gesucht wird, damit G. das Loch zuschweißen kann. G. hat sich neues Internet-Guthaben gekauft, damit das Bloggen funktioniert. Auf dem Rückweg zur Wache haben G. und S. einen deutschen Bauingenieur getroffen, der selbst lange bei der freiwilligen Feuerwehr war. Jetzt wissen sie, wer dieser Weiße war, der bei ihrem ersten Einsatz auf einmal in der Halle stand und sich über die langen Ausrückzeiten aufgeregt hat. Außerdem hat er mit der Schablone für die Beschriftung der neuen Boote angefangen. Auf diesen wird bald der Schriftzug „Fire & Rescue Force“ prangen, sodass die aus Überflutungsgebieten Geretteten ihre Wohltäter identifizieren können. Und G.s Vorgesetzter bei den Mechanikern hat den Schriftzug als Bedingung für eine Bootsübung am Strand gestellt, was einen zusätzlichen Anreiz darstellt. Vor Feierabend haben G. und S. Atemschutzgeräte und Feuerwehrmontur angelegt und mit K., einem der besten Feuerwehrmänner Tansanias, eine Trainingsrunde bei Nachmittagshitze unter Einsatzbedingungen absolviert. Das ging schon besser als im wirklichen Einsatz am Dienstag, als G. in seinem Schutzanzug rasch an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit kam. Anschließend haben G. und S. noch einen Großeinkauf gemacht, der G. hinsichtlich Hunger und Durst sehr quälte. Außerdem hat er über sein Fahrrad geflucht, diese Schrottmühle aus dem Besitz seiner Vorgänger. Langsam kehrt ein bisschen Normalität ein. Und die Sehnsucht nach westlichem Essen. G. muss noch eine Liste für die Ehemalige schreiben, die am Sonntag in Dar es Salaam ankommen wird und Kapazitäten in ihrem Gepäck angeboten hat. Das wird lecker.

Images: The National Stadium and BA Training